Bundesrat Stenographisches Protokoll 694. Sitzung / Seite 31

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Aber man kann jede Regierung, die gebildet wird, in schlechten und in positiven Punkten bewerten. Ich möchte auch positive anführen: Ich bin sehr glücklich, dass wir keinen Herrn Frauenminister mehr haben, dass es endlich wieder eine Frauenministerin gibt und ein solches Ressort eingerichtet wurde. Dazu gratuliere ich.

Zweitens – und das ist das Interessante –: In den tage- und nächtelangen Verhandlungen mit den Grünen – diese Verhandlungen, meine Damen und Herren, waren von dem Willen geprägt, dass tatsächlich eine solche Regierung zu Stande kommt – sind Kompromisse erzielt worden. Es sind insgesamt 109 Seiten gemeinsames Regierungsprogramm in einem konsensualen Pro­zess erarbeitet worden.

Es ist interessant, das Regierungsprogramm zu lesen. Sehr viele Positionen, die Schwarz und Grün erarbeitet, erkämpft und erstritten haben und bei denen man gegenseitig nachgegeben hat, finden sich darin wieder. Für mich ist auch ganz interessant, dass sogar Sätze in diesem schwarz-blauen Regierungsprogramm enthalten sind, die wir selbst erkämpft haben, aber gut. (Bundesrat Dr. Böhm: Dann werden Sie sie unterstützen!)

Lieber Herr Klubobmann Konecny! (Bundesrat Dr. Böhm: So heiße ich nicht!) – Entschuldigen Sie, ich habe jetzt nur die Stimme von vorne vernommen. (Ruf: Realitätsverlust!)

Das zeigt auf der anderen Seite, wie wenig offensichtlich der freiheitliche Koalitionspartner an Themen eingebracht hat. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.) Dort, wo er sie eingebracht hat, schmerzt es besonders, Herr Professor Böhm! Zum Beispiel das Kapitel, das die ÖVP mit den Grünen im Bereich der Migration und Integration verhandelt hat, war vom Inhalt her um 180 Grad anders als jenes von ÖVP und FPÖ. Aber im Wesentlichen hat sich die FPÖ offen­sichtlich der Gestaltung der Politik entschlagen. Das ist auch klar: Für die FPÖ ist diese Regie­rungsbeteiligung quasi ein Strohhalm des Überlebens, und für den Bundeskanzler war die FPÖ mit Sicherheit der billigere Koalitionspartner.

Meine Damen und Herren! Das ändert aber nichts. Der Herr Bundeskanzler hat gesagt: Die Be­völkerung ist durchaus bereit mitzugehen. Na gut, es bleibt ihr auch wenig übrig: Wenn eine Regierung Maßnahmen beschließt, muss sie diese hinnehmen. – Herr Bundeskanzler! Die Verhandlungen, die Sie zum Beispiel mit den Grünen geführt haben, haben in der Bevölkerung, aber auch in Ihrer Partei Hoffnungen erweckt. Und diese Hoffnungen sind in den Morgenstun­den des damaligen Sonntags bitter enttäuscht worden. Das zeigt sich auch darin, dass diese Regierung, so wie sie jetzt gebildet ist, in den Umfragen, die gemacht wurden, auch in Ihren eigenen Umfragen, keine Mehrheit mehr hat.

Warum? – Die Bevölkerung hat am 24. November die FPÖ aus der Regierungsverantwortung abgewählt. Das ist eine Tatsache. Wer von 27 Prozent auf 10 Prozent fällt, der ist abgewählt. Eine solche Partei müsste eigentlich im Sinne des Zeugnisses, das ihr die Bevölkerung aus­stellt, sagen: Ich bin abgewählt. Ich habe ... (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gru­ber.) – Ich weiß, Herr Kollege, Sie setzen sich immer für die FPÖ ein. Früher konnte man das noch verwechseln, aber jetzt haben Sie sich hinübergesetzt (allgemeine Heiterkeit), aber irgendwie sind Sie hier immer der ehrenamtliche Sprecher der FPÖ. Das müssten Sie einmal innerhalb der Fraktion besprechen.

Es könnte sein, dass Sie darüber sehr traurig waren. Es könnte sein, dass Sie sehr traurig waren, dass die FPÖ so viel verloren hat. Aber ich glaube, der Bundeskanzler ist dies nicht, denn die Handschrift des Regierungsprogrammes ist die Handschrift der ÖVP.

Politische Verantwortung wahrnehmen heißt, dass ich, wenn ich einen Denkzettel von der Be­völkerung bekomme, diesen Denkzettel ernst nehme, und das heißt nicht, dass ich den Ruhe­polster in der Regierung suche. Insofern, Herr Bundeskanzler, habe ich auch nicht die Sorge, dass diese Regierung pragmatisiert wird, wie Sie zum Ausdruck brachten. Die nächsten Wah­len – ich nehme an, es werden wieder vorzeitige Wahlen sein, das signalisiert das Stimmungs­tief, das hier existiert –, vor allem die nächsten Landtagswahlen werden dies beweisen. Die nächsten Landtagswahlen werden Ihren Koalitionspartner nicht sicherer machen.

 


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