Bundesrat Stenographisches Protokoll 694. Sitzung / Seite 61

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Wenn wir in Österreich zu unseren acht Millionen Einwohnern zwei Millionen dazu bekommen hätten, die wirtschaftlich darnieder gelegen wären, und wenn wir sie in unser Sozialsystem inte­grieren hätten müssen, dann, so muss man zugeben, hätten wir damit enorme Schwierigkeiten gehabt, wahrscheinlich größere Schwierigkeiten als Deutschland. In Deutschland wird das versucht, das muss man auch einmal offen sagen. (Beifall bei der SPÖ.)

Kein Land in Europa hätte das geschafft, außer Deutschland, 20 Millionen Menschen zu über­nehmen, die aus einem Staat kommen, der wirtschaftlich ruiniert ist, der sozialpolitisch ruiniert ist, und diese 20 Millionen Bürger in das westdeutsche System zu integrieren. Das muss man in diesem Zusammenhang auch einmal sagen, wenn man über die Grenzen schaut und die öster­reichische Seele sozusagen ein bisschen streichelt, so nach dem Motto: Immer waren wir hinter Deutschland, und jetzt geht es uns scheinbar etwas besser.

Meine Damen und Herren! Zum Herrn Vizekanzler möchte ich nur sagen, wir werden uns in der SPÖ überlegen, ob es irgendwo einen Preis gibt für schön und lang Reden. Sollten wir einen solchen Preis irgendwo finden, dann werden wir ihn gerne übergeben – und das natürlich „in aller Klarheit“. Da der Herr Vizekanzler so gern den Ausdruck „in aller Klarheit“ verwendet und hier von diesem Platz aus betont hat, der Zugang zur Gesundheit sei unter seiner Führung wesentlich besser geworden, möchte ich dem Herrn Vizekanzler nur ein paar Sachen in Erinne­rung rufen.

Wie gesagt, es ist schade, dass er nicht da ist. Die Ambulanzgebühr sollte jetzt abgeschafft werden, aber jetzt wird sie doch wieder nicht abgeschafft. Mittlerweile ist man draufgekommen, dass man 270 oder 280 Leute eingestellt hat, die sich mit dieser Ambulanzgebühr herumschla­gen. Und wenn man diese jetzt abschafft, stellt sich die Frage: Was tut man mit diesen 280 Per­sonen? – Diese muss man weiter beschäftigen. Also lassen wir es noch ein bissel, okay.

Die Erhöhung des Selbstbehaltes im Spital um 43 Prozent ist auch eine Leistung des Herrn Vizekanzlers und der vergangenen Bundesregierung. Die Erhöhung der Rezeptgebühr um 22 Prozent, Herr Kollege Saller, ist für die Pensionisten und die Rentner sicher kein Spaß; aus­genommen für jene, die davon befreit sind.

Oder: die Kürzung des Krankengeldes für Schwerstkranke von 78 auf 52 Wochen; die Strei­chung der Zuschüsse für Heilbehelfe und Hilfsmittel; ein 20-prozentiger Selbstbehalt für Leistun­gen bei klinisch-psychologischer Diagnostik. – Wenn das der „freie Zugang“ zur Gesundheits­politik ist, dann muss ich sagen, ich kann mir etwas Besseres vorstellen. Das deckt sich sicher nicht mit meinen Überlegungen. (Beifall bei der SPÖ.)

Der Herr Vizekanzler ist nicht da, dabei wollte ich ihn noch etwas fragen: Es hat das Gerücht gege­ben, der Herr Vizekanzler hätte gerne auf alle Kompetenzen verzichtet – einige hat man ihm ja weggenommen –, weil er beide Hände frei haben wollte, um die FPÖ zusammenzu­halten. (Heiterkeit bei der SPÖ.) – Aber etwas wird er doch tun müssen, nur Vizekanzler spielen, das wird zu wenig sein.

Herrn Kollegen Gudenus – er ist jetzt leider auch nicht hier – gebe ich völlig Recht. Die FPÖ ist nicht der vierte Bund der ÖVP, sondern mittlerweile zu einem „Beiwagerl“ verkommen. (Beifall bei der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Faktum ist, dass dieses Regierungsexperiment Schüssel I von den Österreicherinnen und Österreichern als gescheitert betrachtet wird. Was davon übrig blieb – ich habe es schon betont –, ist ein wirtschaftlicher und sozialer Scherbenhaufen; das wurde heute auch schon erwähnt. Auch wenn der Herr Vizekanzler vorhin versucht hat, es zu be­schönigen, Faktum ist: Es gibt eine Rekordarbeitslosigkeit in diesem Land, und es gibt die höchsten Steuern in der Geschichte der Zweiten Republik.

Der Herr Vizekanzler hat vorhin auch zum Thema Deutschland eine Wortspende abgegeben. Aber man sollte eines nicht vergessen: In Deutschland beträgt die Steuerquote 41 Prozent, und in Österreich beträgt sie 46 Prozent. (Zwischenrufe bei der SPÖ.)

 


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