Bundesrat Stenographisches Protokoll 694. Sitzung / Seite 66

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Viele Punkte waren auch in den Vorverhandlungen, in den Sondierungsgesprächen der ÖVP mit den anderen Parteien schon paktiert und finden sich nun auch im vorliegenden Pakt wieder. Es wurde sogar heute reklamiert, dass der Wortlaut der Grünen wieder aufgetaucht sei.

Das heißt, so fremd kann auch Ihnen das, was heute vorgelegt worden ist, nicht sein! Da Sie schon die wesentlichen Punkte mit der Österreichischen Volkspartei paktiert hatten und diese Punkte auch jetzt in dem hier vorliegenden Regierungsprogramm wieder finden, hoffe ich doch, dass die Beschlüsse, die in diesem Pakt festgehalten wurden, auch von Ihnen, den Opposi­tionsparteien, mitgetragen werden.

Ich erinnere mich oft an die letzte Legislaturperiode, in der es immer geheißen hat: Ja, wir sind bereit, und wir sind d’accord!, aber dann gab es immer irgendwo noch ein Prozent, mit dem Sie nicht einverstanden waren. – Natürlich wird auch ein Beschluss, an dem die Opposition teil­nimmt, kein Beschluss sein, den alle zu 100 Prozent mittragen können. Aber es ist doch das Wesen der Demokratie, dass man in solchen Fällen einen Kompromiss findet und Beschlüsse, die weitgehend den eigenen Vorstellungen entsprechen, auch mittragen kann!

Ein Programm, so wie auch dieses, ist immer eine positive Vorstellung der Zukunft. Ein gutes Programm vermeidet rosarote Euphorien – „rosarot“ meine ich aber jetzt nicht parteipolitisch –, und es soll auch auf dem Boden kalkulierbarer Tatsachen verbleiben.

Das, was aus heutiger Sicht in der nächsten Zukunft auf Österreich zukommen wird, hat im Regierungsprogramm seinen Niederschlag gefunden. Das war in der heutigen Rede des Herrn Bundeskanzlers eher an seinem Tonfall als an den doch eher kurz gehaltenen inhaltlichen Ausführungen zu erkennen, aber der Ernst der österreichischen Lage war unüberhörbar.

Er ergibt sich auf der einen Seite aus dem vor uns liegenden riesigen Schuldenberg, den ich gerade beziffert habe, mit allen seinen Konsequenzen, wie Verwaltungsreform, Steuerreform, Pensionsreform, Krankenkassensanierung und so weiter. Diese Reformen, die den Betroffenen immer wehtun – ich weiß das –, sind aber notwendig, denn wir können nicht gleichzeitig alles beim Alten lassen und alles ändern. Das ist eine Quadratur des Kreises, die nicht möglich ist, oder naturwissenschaftlich ausgedrückt: Es wäre ein Perpetuum mobile, das Sie hier verlangen.

Auf der anderen Seite ergibt sich der Ernst der Lage Österreichs aus der unmittelbar vor uns stehenden EU-Osterweiterung. Dieses Projekt wird nicht nur eine europäische Bewährungs­probe sein, sondern in erster Linie eine Bewährungsprobe für den Nettozahler Österreich.

Ob es gelingen wird, für viele österreichische Probleme europäische Lösungskonzepte zu fin­den, wird nicht nur von unserer Bereitschaft abhängen, dieses Europa zu wollen, sondern viel­mehr von unseren derzeitigen europäischen Partnern, vor allem aber von unseren zukünftigen europäischen Partnern, nämlich davon, ob sie auch wirklich bereit sind, diesen Weg mit uns zu gehen.

Oder sind es andere Vorstellungen, um nicht zu sagen finanzielle Erwartungen, die die neu auf­zunehmenden Mitglieder von diesem Europa haben? – Die Töne einiger Beitrittsländer zur amerikanischen Militärmusik bei der Vorbereitung eines Irak-Krieges lassen andere Einsichten in ein europäisches Konzept vermuten, als viele Europäer erwarten. Verwechselt man nicht hier EU-Bereitschaft mit Globalisierung? Und Globalisierung ist nicht die europäische Sehnsucht, nicht die Sehnsucht nach Frieden und nationaler Entfaltung der EU-Mitgliedsländer!

Meine Damen und Herren! Weltherrschaftspläne im Mantel wirtschaftlicher Überlegungen hat es – um jetzt in US-Diktion zu reden – im alten Europa genug gegeben. Die Lehre, die daraus gezogen wurde, soll sich im Konzept der Europäischen Union wieder finden. Ein Welt-Sheriff, der mit Schuss- und Treffsicherheit das Böse bekämpft, ist im Western-Movie schon bis zur Penetranz ausgewalzt worden. Aber auch in diesem war das Böse nicht immer eindeutig. Nach dem Spaß an der Massenkeilerei hat man nur äußerst selten oder nie die Tränen der Nichtbe­teiligten gezeigt.

 


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