Viele Punkte waren
auch in den Vorverhandlungen, in den Sondierungsgesprächen der ÖVP mit den
anderen Parteien schon paktiert und finden sich nun auch im vorliegenden Pakt
wieder. Es wurde sogar heute reklamiert, dass der Wortlaut der Grünen wieder
aufgetaucht sei.
Das heißt, so
fremd kann auch Ihnen das, was heute vorgelegt worden ist, nicht sein! Da Sie
schon die wesentlichen Punkte mit der Österreichischen Volkspartei paktiert
hatten und diese Punkte auch jetzt in dem hier vorliegenden Regierungsprogramm
wieder finden, hoffe ich doch, dass die Beschlüsse, die in diesem Pakt
festgehalten wurden, auch von Ihnen, den Oppositionsparteien, mitgetragen
werden.
Ich erinnere mich
oft an die letzte Legislaturperiode, in der es immer geheißen hat: Ja, wir sind
bereit, und wir sind d’accord!, aber dann gab es immer irgendwo noch ein
Prozent, mit dem Sie nicht einverstanden waren. – Natürlich wird auch ein
Beschluss, an dem die Opposition teilnimmt, kein Beschluss sein, den alle zu
100 Prozent mittragen können. Aber es ist doch das Wesen der Demokratie,
dass man in solchen Fällen einen Kompromiss findet und Beschlüsse, die
weitgehend den eigenen Vorstellungen entsprechen, auch mittragen kann!
Ein Programm, so
wie auch dieses, ist immer eine positive Vorstellung der Zukunft. Ein gutes
Programm vermeidet rosarote Euphorien – „rosarot“ meine ich aber jetzt
nicht parteipolitisch –, und es soll auch auf dem Boden kalkulierbarer
Tatsachen verbleiben.
Das, was aus
heutiger Sicht in der nächsten Zukunft auf Österreich zukommen wird, hat im
Regierungsprogramm seinen Niederschlag gefunden. Das war in der heutigen Rede
des Herrn Bundeskanzlers eher an seinem Tonfall als an den doch eher kurz
gehaltenen inhaltlichen Ausführungen zu erkennen, aber der Ernst der
österreichischen Lage war unüberhörbar.
Er ergibt sich auf
der einen Seite aus dem vor uns liegenden riesigen Schuldenberg, den ich gerade
beziffert habe, mit allen seinen Konsequenzen, wie Verwaltungsreform,
Steuerreform, Pensionsreform, Krankenkassensanierung und so weiter. Diese
Reformen, die den Betroffenen immer wehtun – ich weiß das –, sind
aber notwendig, denn wir können nicht gleichzeitig alles beim Alten lassen und
alles ändern. Das ist eine Quadratur des Kreises, die nicht möglich ist, oder
naturwissenschaftlich ausgedrückt: Es wäre ein Perpetuum mobile, das Sie hier
verlangen.
Auf der anderen
Seite ergibt sich der Ernst der Lage Österreichs aus der unmittelbar vor uns
stehenden EU-Osterweiterung. Dieses Projekt wird nicht nur eine europäische
Bewährungsprobe sein, sondern in erster Linie eine Bewährungsprobe für den
Nettozahler Österreich.
Ob es gelingen
wird, für viele österreichische Probleme europäische Lösungskonzepte zu finden,
wird nicht nur von unserer Bereitschaft abhängen, dieses Europa zu wollen,
sondern vielmehr von unseren derzeitigen europäischen Partnern, vor allem aber
von unseren zukünftigen europäischen Partnern, nämlich davon, ob sie auch
wirklich bereit sind, diesen Weg mit uns zu gehen.
Oder sind es
andere Vorstellungen, um nicht zu sagen finanzielle Erwartungen, die die neu
aufzunehmenden Mitglieder von diesem Europa haben? – Die Töne einiger
Beitrittsländer zur amerikanischen Militärmusik bei der Vorbereitung eines
Irak-Krieges lassen andere Einsichten in ein europäisches Konzept vermuten, als
viele Europäer erwarten. Verwechselt man nicht hier EU-Bereitschaft mit
Globalisierung? Und Globalisierung ist nicht
die europäische Sehnsucht, nicht die Sehnsucht nach Frieden und nationaler
Entfaltung der EU-Mitgliedsländer!
Meine Damen und
Herren! Weltherrschaftspläne im Mantel wirtschaftlicher Überlegungen hat
es – um jetzt in US-Diktion zu reden – im alten Europa genug gegeben.
Die Lehre, die daraus gezogen wurde, soll sich im Konzept der Europäischen
Union wieder finden. Ein Welt-Sheriff, der mit Schuss- und Treffsicherheit das
Böse bekämpft, ist im Western-Movie schon bis zur Penetranz ausgewalzt worden.
Aber auch in diesem war das Böse nicht immer eindeutig. Nach dem Spaß an der
Massenkeilerei hat man nur äußerst selten oder nie die Tränen der Nichtbeteiligten
gezeigt.
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