Bundesrat Stenographisches Protokoll 694. Sitzung / Seite 70

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Mache deine Politik, die du im Heute durchsetzt, für das Morgen berechenbar! – Wenn man das aber will, dann muss man, so glaube ich, ein verändertes Denken bewusst machen, dann muss man die alten Rechenarten der Politik ein für alle Mal verändern.

Was meine ich mit „alten Rechenarten“? – Alte Rechenarten sind zum Beispiel, Dinge immer nur zu addieren, zu subtrahieren oder zu multiplizieren. All das, was wir heute wollen, was wir po­li­tisch beschließen, läuft doch vielfach darauf hinaus, dass wir immer noch etwas dazu­addie­ren, etwas hinzufügen, die Ausgaben verdoppeln und multiplizieren oder einfach etwas ab­schaf­fen und subtrahieren. Das heißt, jede Leistung, jeden Dienst an der Gesellschaft, den wir von der öffentlichen Hand erbringen wollen, müssen wir mit neuen Rechenarten untersuchen oder näher anschauen.

Die neuen politischen Rechenarten, wenn ich das so sagen darf, wären meiner Meinung nach eher, Dinge oder Anliegen miteinander zu vergleichen oder das eine oder andere zu verknüpfen oder die eine oder andere Ressource, die noch nicht entdeckt ist, zu finden, um da und dort auch das eine oder andere zu entlasten. Ich denke, das sind Rechenarten des Menschen, und ich glaube, das sind Rechenarten, die sich auch in diesem Regierungsprogramm wieder finden, denn – und das möchte ich hier auch sagen – ein Regierungsprogramm ist für mich keine Me­nü­karte oder ein Prospekt, in dem Angebote gemacht werden, die eventuell umgesetzt werden oder auch nicht, sondern – und das ist mir dazu eingefallen – das Wort „Programm“, das sich ja aus dem Altgriechischen herleitet – aus dem Wort „prographo“, was so viel heißt wie „vorzeich­nen“ –, bedeutet, solch eine Vorzeichnung zu erstellen. Das zu tun und mit anderen zu be­schließen, bedarf der Zeit – nicht des Sich-Zeit-Lassens, sondern des Sich-Zeit-Nehmens für das Wesentliche in diesem Staatssystem.

Ich glaube, dass wir auch da einiges demokratiepolitisch dazuzulernen haben, wenn wir uns für das Wesentliche, wenn wir uns für einen Vertrag, für den wir uns gemeinsam einsetzen und auf den wir uns einigen, auch Zeit nehmen.

Anhand des Bereiches Bildung sei das in Kürze angedacht und angesprochen: Bildung ist und bleibt das Grundnahrungsmittel einer demokratischen Gesellschaft. Es ist das, was ich immer bei mir habe; weder eine große Erbschaft noch ein volles Sparbuch können Bildung ersetzen. Der Zugang zur Bildung muss jedem Menschen hinsichtlich seiner Fähigkeiten und Möglich­kei­ten gegeben werden. Ich meine, es gilt ganz einfach, Stärken zu stärken und Schwächen zu schwä­chen – klare Leistungsstandards sind dafür Voraussetzung. Jedem Menschen ist eine Qua­li­fizierung zu ermöglichen – auch die Möglichkeit einer Teilzertifizierung bedeutet, sich mit seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten zu qualifizieren.

Weiters ist eine eindeutige Verknüpfung von Bildungs-, Forschungs- und Wissenschaftspolitik in die­sem Regierungsprogramm ausgewiesen, denn nur diese drei zusammen im Verbund sind Grund­lage für eine gesellschaftliche Entwicklung. Mittel in der Höhe von 700 Millionen € für For­schung, 72 Millionen € für Bildung bis zum Jahr 2006 sprechen doch eine eindeutige Sprache!

Doch das setzt voraus, dass wir auf Qualität in ihrer Sicherung und in ihrer Verbesserung und auf eine Bildung, die ins Leben begleiten will, setzen. Kurz gesagt: Es geht um Lebensqualität, wenn es um Bildungsqualität geht. Hiebei geht es um Menschen, die ihr ganzes Leben lang ler­nen wollen – und das nicht nur im Lebensraum Schule mit einer ganz bestimmten Zahl an Unter­richtsstunden. So muss auch ein Weg gefunden werden, mit dem die immer höher wer­den­de Stundenanzahl in der Schule verringert wird, denn kein Mensch lernt nur in der Schule für das Leben.

Will man das, dann müssen wir wohl auch darüber nachdenken, was wir hier im Bundesrat ein­brin­gen. Frau Ministerin Gehrer hat das im Nationalrat ganz klar gesagt: Sie lädt alle Verant­wor­tungsträger ein mitzutun, denn das hier Vorliegende ist eine – um in meinem Jargon zu blei­ben – Vorzeichnung. Da möchte ich gerne mitdenken. Ich meine, gerade wir, die wir aus den Län­dern kommen und diese hier vertreten, müssen uns zweierlei fragen, nämlich: Ist es nicht häu­fig so, dass die Schule in der gesellschaftspolitischen Wahrnehmung und schließlich auch in


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