Bundesrat Stenographisches Protokoll 694. Sitzung / Seite 112

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währte Übung, dass die Regierung dem Parlament für jedes Jahr ein konkretes Arbeitspro­gramm vorlegt, über dessen Schwerpunkte und Prioritäten diskutiert wird und das einen we­sentlichen Beitrag dazu leistet, dass die Gesetzgebung nicht zu kurzatmig und fehlerhaft wie bei uns arbeitet.

Auch die Kommission der EU – im Allgemeinen sonst als schlechter Gesetzgeber verschrien – ist verhalten, jedes Jahr ein konkretes Arbeitsprogramm vorzulegen und zur Diskussion zu stel­len. Ich rege daher neuerlich an, dass sich auch bei uns die Bundesregierung um die For­mulie­rung von jährlichen Etappenzielen bemüht und dass darüber jeweils ein eingehender Dialog mit den Organen der Bundesgesetzgebung und naturgemäß auch mit den Ländern und Gemeinden stattfindet. Damit würde die Gesetzgebung transparenter und von den bekannten nachteiligen Formen legistischer Ungeduld befreit. Natürlich muss auch in einem solchen System Platz für ausnahmsweise kurzfristige Entscheidungen sein, aber ihre faktische Regelmäßigkeit würde doch weitgehend eingeschränkt.

Das Regierungsprogramm zählt bereits in seinem ersten Kapitel zahlreiche verfassungspo­liti­sche Vorhaben auf, die für die Länder und Gemeinden von großem Interesse sind. – Kollege Thump­ser, der sich vorhin über die kurzfristige Abwesenheit des Vorredners Himmer alteriert hat, ist interessanterweise jetzt selbst auch nicht mehr im Saal. (Heiterkeit und Beifall bei der ÖVP.)

Diese Vorhaben münden letztlich in der Absicht, einen Verfassungskonvent einzurichten. Das ist ein begrüßenswertes Signal, die einzelnen Vorhaben noch eingehend diskutieren zu wollen, denn ich nehme nicht an, dass sie als Vorwegnahme der Konventsberatungen zu verstehen wären. Das wäre auch deshalb schwer möglich, weil sie durchwegs konkretisierungsbedürftig sind.

Ich nenne nur drei Beispiele: Was ist beispielsweise konkret unter einer Stärkung der Koordinie­rungs- und Planungskompetenz des Bundes zu verstehen? Oder was soll unter einem euro­päischen Legalitätsprinzip verstanden werden? Wie soll diese wünschenswerte Adaptierung der Kompetenztatbestände aussehen?

Eine weitere interessante Frage, die ziemlich bald aktuell werden dürfte, lautet: Auf welchem Niveau erfolgen Vereinheitlichungen? – Vorarlberg unterstützt voll und ganz die Haltung des Landes Wien, wonach sich beim Tierschutz die Einheitlichkeit nicht an dem niedrigsten, son­dern an dem höchsten Schutzniveau orientieren sollte. Alles andere wäre jedenfalls für unser Land kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt für den Tierschutz.

Ähnliches wird wohl auch für ein einheitliches Dienstrecht der Verwaltung gelten. Diesbezüglich ist nach wie vor die Antwort auf unsere Frage offen, ob wir in Vorarlberg unsere Gehalts­re­form – mit einer völligen Gleichstellung von Angestellten und Beamten, einer Abkehr von der Ein­stufung nach Schulbildung und der Abschaffung der Pragmatisierung – etwa wieder rück­gängig machen müssten, obwohl sich diese in der Praxis sehr bewährt und auch als Innovation im öffentlichen Dienstrecht anerkannt ist.

Zur Einheitlichkeit noch ein kurzer Vorgriff auf die anstehende Änderung des Bundesministe­rien­ge­setzes: Dass beim Tierschutz an die Stelle von neun Landesgesetzgebern gleich vier Bun­des­ministerien treten sollen und die Vielfalt tierschutzrechtlicher Bestimmungen in zahlrei­chen Bundesgesetzen und unterschiedlichen Vollziehungszuständigkeiten offenbar völlig unbe­rührt bleibt, ist kein hoffnungsfroh stimmendes Beispiel für die angebliche Effizienz von Einheit­lichkeit. (Demonstrativer Beifall bei der SPÖ und den Freiheitlichen.)

Ähnliche Vorsicht ist am Platze, wenn den Ländern Eigenständigkeit bei der Einhebung eigener Steuern verheißen wird. Abgesehen von der Frage, wo dem im Sinne des Belastungsausgleichs und der Belastungsneutralität eine ausgleichende Entlastung auf Bundesebene gegenüber­stünde, ist auf Folgendes hinzuweisen: Eine Steuerhoheit der Länder setzt die Möglichkeit voraus, dass die Länder in völlig unterschiedlicher Weise davon Gebrauch machen können. Wie lange das nun Bestand haben würde, wenn wir andererseits von einer Abschaffung der Anzei-


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