Bundesrat Stenographisches Protokoll 695. Sitzung / Seite 52

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reich für die Opfer des Nationalsozialismus bis 31. Dezember 2004 zu empfehlen. Wir folgen gerne dieser einstimmigen Empfeh­lung des Ausschusses und treten für die Verlängerung der Antragsfrist und der Funktions­dauer des Österreichischen Versöhnungsfonds deshalb ein, weil die ursprünglich vor­gesehenen Fristen offenbar doch zu kurz bemessen waren, um den Fonds in die Lage zu ver­setzen, seinem Auftrag zur möglichst lückenlosen Erfassung aller potenziellen Leistungsbe­rech­tig­ten zu entsprechen.

Leistungsberechtigte in aller Welt ausfindig zu machen, stellt zweifellos eine überaus komplexe, zeit- und arbeitsintensive Aufgabe dar, hat doch der Fonds bisher die Anträge von nahezu hun­dert­tausend ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeitern aus 57 Ländern positiv abgeschlossen. Um zu diesem positiven Resultat zu gelangen, haben die Mitarbeiter des Fonds nicht nur gro­ßes Engagement, eine effiziente und unbürokratische Behandlung der Anträge der ehemaligen Sklaven- und Zwangsarbeiter an den Tag gelegt, sondern sich auch durch innovative Aktionen sehr erfolgreich bemüht, an Antragsteller heranzukommen, die in den Kompetenzbereich des Ös­terreichischen Versöhnungsfonds fallen. So überprüft der Versöhnungsfonds nach Herstel­lung des Einvernehmens mit der deutschen Zwangsarbeiterstiftung die Listen von Partnerorga­nisa­tio­nen der deutschen Stiftung, zumal die Erfahrung gelehrt hat, dass sich in diesen Listen auch zahlreiche Anträge ehemaliger Sklaven- und Zwangsarbeiter befinden, für die der Öster­rei­chische Versöhnungsfonds zuständig ist.

Durch diese Vorgangsweise soll verhindert werden, dass nach Abschluss der Tätigkeit des Ver­söh­nungsfonds nachträglich potenzielle Antragsteller festgestellt werden, die vom Versöh­nungs­fonds eine Leistung hätten bekommen sollen oder müssen. Dies würde nicht nur innen- und außenpolitische Diskussionen zur Folge haben, sondern auch die staatspolitische Bedeu­tung der Aktivitäten des Versöhnungsfonds vermindern.

Da bei Beziehern von Leistungen aus dem Österreichischen Nationalfonds vielfach die Meinung vorherrschte, dass eine solche Zahlung eine Leistung durch den Versöhnungsfonds aus­schlie­ße, hat der Österreichische Versöhnungsfonds an zirka 30 000 Personen, die den Österreichi­schen Nationalfonds – über den ich nachher sprechen werde – kontaktiert hatten, Schreiben ge­richtet, in denen auf die Möglichkeit einer Leistung durch den Versöhnungsfonds aufmerksam gemacht wird. Auch diese Aktion spricht dafür, dass der Österreichische Versöhnungsfonds nichts unversucht lässt, um alle nur denkbaren Leistungsberechtigten zu erfassen.

Die Aktivitäten und Leistungen des Versöhnungsfonds haben nicht nur großen Goodwill für Ös­terreich in den Herkunftsländern der Leistungsberechtigen erzeugt, sondern auch sehr bemer­kens­werte Reaktionen der Betroffenen selbst hervorgerufen. In einer Reihe von Ländern, insbe­son­dere in der Sowjetunion und im vormaligen Jugoslawien, waren die heimgekehrten Zwangs­arbeiter nicht nur sehr unfreundlich empfangen worden, sondern oft auch deshalb weiteren Verfolgungen ausgesetzt, weil sie angeblich Kriegsanstrengungen von Hitler-Deutschland ge­stärkt hätten. So wurde ihnen oft bis in die Gegenwart die Anerkennung als Opfer des Natio­nal­sozialismus versagt. Die Zuerkennung einer Leistung für diese ehemaligen Zwangsarbeiter durch den Österreichischen Versöhnungsfonds war somit zum ersten Mal auch eine Aner­kennung, dass sie als Opfer des NS-Regimes Unrecht erlitten hatten. Oft haben die mit Leistun­gen bedachten ehemaligen Zwangsarbeiter den Vertretern des Versöhnungsfonds versichert, dass für sie – neben der finanziellen Leistung – die Anerkennung als Opfer des nationalsozialis­ti­schen Regimes mitunter noch wichtiger war.

Das tragische Schicksal solcher ehemaliger Zwangsarbeiter kann wohl nicht eindrucksvoller un­ter­strichen werden als durch die Lektüre von Vernehmungsprotokollen des ehemaligen sow­jetischen Geheimdienstes NKWD, wonach Zwangsarbeiter als Feinde ihres eigenen Volkes ent­sprechend behandelt wurden, wobei eine Versendung in die berüchtigten Straflager des Gulag durchaus an der Tagesordnung war. (Beifall des Bundesrates Mag. Gudenus.)

In diesem Zusammenhang verdient auch die Tatsache Erwähnung, dass während der Verhand­lun­gen zum österreichischen Staatsvertrag von sowjetischer Seite niemals auch nur eine An­deutung hinsichtlich einer Entschädigungsforderung für die Zwangsarbeiter gemacht wurde,


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