Bundesrat Stenographisches Protokoll 695. Sitzung / Seite 55

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grundsätzliches politisches Anliegen sehen. Das war nicht nur Gegenstand des Programms der letzten Bundesregierung, sondern ist in der letzten Gesetzgebungsperiode durchaus auch in die Tat umgesetzt worden. Das gilt eben für diese beiden Gesetze, das Versöhnungsfonds-Gesetz und das Nationalfondsgesetz, die wir heute novellieren wollen.

Für uns waren sie schon deshalb unabdingbar, weil wir vom sittlichen Prinzip des Kantschen ka­te­gorischen Imperativs ausgehen. Wenn wir selbst in Bezug auf die Vertreibung der Volks­deutschen fordern, dass sie nicht folgenlos und ungesühnt bleiben kann, so müssen wir auch unsere eigenen historischen Hausaufgaben an Unrechtsbewältigung erledigen.

Gerade darauf habe ich bei unserem jüngsten Besuch im Rahmen einer österreichischen Parla­mentarierdelegation, der auch Herr Kollege Konecny angehört hat, in Prag hingewiesen, um dort unsere Anliegen zu fördern.

Auch wir in Österreich haben schmerzvoll erfahren, dass man sich von den Fehlern und von der Schuld in der eigenen Vergangenheit nicht folgenlos verabschieden kann. Wir waren bemüht, im Rahmen des heute noch Möglichen das uns zurechenbare historische Unrecht wenigstens materiell und in gewissen Grenzen auch ideell zu bewältigen. Und genau das erwarten wir auch von unseren Nachbarn bezüglich des Unrechts an unseren Vertriebenen und Enteigneten.

Wenn wir heute das Versöhnungsfonds-Gesetz novellieren und die verlängerten Fristen für den Fortbestand des Kuratoriums und sein Wirken beschließen, so erklärt sich das aus seinen Schwierigkeiten, seine Aufgaben zeitgerecht zu erfüllen.

Sosehr sich nämlich das Kuratorium des Österreichischen Versöhnungsfonds auch angestrengt hat, alle in den Zuständigkeitsbereich des Gesetzes fallenden und daher potenziell anspruchs­be­rechtigten ehemaligen Zwangsarbeiter zu erfassen und die tatsächlich eingelangten Anträge bis zum ursprünglich geplanten Endtermin, dem 27. November 2003, zu erledigen, so wenig konnte das aus faktischen Hinderungsgründen gelingen. Darüber haben auch meine Vorredner schon sehr ausführlich und eindringlich gesprochen.

Bereits in der Sitzung des zuständigen Ausschusses des Bundesrates haben uns der Vorsitzen­de des Komitees, Herr Botschafter Dr. Ludwig Steiner, der uns auch heute die Ehre seiner An­we­sen­heit gibt, und der Generalsekretär, Herr Botschafter Dr. Wotava, denen für ihr En­ga­gement Dank und höchste Anerkennung gebühren, die Schwierigkeiten dargelegt, die es schon bei der Ermittlung und faktischen Erreichung des vom Versöhnungsfonds-Gesetz ange­spro­chenen Personenkreises gab.

Die Schwierigkeiten reichen – auch das wurde heute schon vom Kollegen Liechtenstein ange­sprochen – von in der Vergangenheit gelegenen ideologischen Vorbehalten der Heimatstaaten gegen­über ihren eigenen repatriierten Zwangsarbeitern, vor allem in der Sowjetunion und in Ju­goslawien, bis zu eher pragmatisch bedingten Informationsproblemen, die mit medialen Pro­blemen und der Altersstruktur der betroffenen Opfer zusammenhängen.

Allein diese Umstände rechtfertigen es, die Antragsfrist, die sonst mit 27. September 2003 auslaufen würde, bis 31. Dezember 2003 zu verlängern. Ich hoffe, dass sie ausreicht und habe meine diesbezügliche Besorgnis auch im Ausschuss dargelegt.

Entgegen dem verfehlten Argument im Ausschussbericht hat das an sich mit der Verlängerung der Funktionsdauer für das Kuratorium des Österreichischen Versöhnungsfonds selbst unmittel­bar nichts zu tun, denn diese erscheint ausschließlich aus dem bereits erwähnten Grund geboten, dass auch nicht alle derzeit bereits gestellten Anträge bis zum 27. November 2003 bearbeitet und mit Auszahlung erledigt werden können.

Es sind immerhin 98 000 Anträge bearbeitet und erledigt worden, allerdings von 115 000 einge­langten. Sie schlüsseln sich in etwa so auf, dass aus der Ukraine etwa 37 000 Antragsteller betroffen waren, aus Polen etwa 18 000, aus Russland und der Tschechischen Republik je 10 000, aus Frankreich zirka 5 000 – und eine entsprechende Quote noch potenziell betroffener


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