Bundesrat Stenographisches Protokoll 695. Sitzung / Seite 57

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reich antreten. Kollegin Aburumieh und ich werden als Mandatsträger aus der Politik ausschei­den.

Ich möchte aber nicht gehen, ohne Ihnen zumindest in ein paar Sätzen zu sagen, was ich in den vergangenen fünf Monaten an Schattenseiten des Lebens kennen gelernt habe, und zwar im Rehab-Zentrum Weißer Hof, von der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt hervorragend ge­führt, gemeinsam mit 200 Schwer- und Schwerstversehrten. Ich habe an einem Behinderten­projekt mitgearbeitet und arbeite auch weiterhin daran mit.

Ich möchte Ihnen übermitteln, dass Sie in Ihrer politischen Tätigkeit diese zahlenmäßig nicht über­wältigend große Gruppe nicht übersehen dürfen. Es sind zumeist Menschen, die durch einen schweren Unfall in eine neue Situation des Lebens geraten sind – in eine völlig neue, es ist fast nichts mehr so, wie es vorher war. Zu den körperlichen Beeinträchtigungen kommen star­ke – das hätte ich früher nie so stark angenommen, wie ich es dann dort erlebt habe – psychi­sche Probleme. Es geht um die Fragen: Wohin geht mein Weg? Wie wird mein Arbeit­ge­ber reagieren? – Nicht selten kommt es vor, dass nach einem schweren Unfall relativ schnell der blaue Brief kommt.

Ich habe – auch das hatte ich unterschätzt – bei vielen Verunfallten erleben müssen, dass nicht nur Freunde verloren gehen, sehr oft in Massen, sondern auch Ehen, Lebenspartnerschaften in die Brüche gehen.

Ich habe in vielen Gesprächen mit Verunfallten auch erleben müssen, dass die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt wird. Ich möchte es jetzt kurz machen und bitte alle Mitglieder dieses Hauses, bei ihrer künftigen politischen Arbeit – ich nenne nur das Schlagwort „Unfall­renten­be­steuerung“ – auf diese Dinge Rücksicht zu nehmen und eine Lösung zu finden, die erträglich ist.

In dem Behindertenprojekt, an dem ich nach wie vor mitwirke – es wird vom Bundesland Wien über den Österreichischen Zivilinvalidenverband betrieben –, geht es konkret um die Frage: Wel­chen Sinn kann ein Querschnittgelähmter in der Gesellschaft finden? – Ich möchte aus­drücklich betonen: Das soziale Netz ist sehr eng; das heißt, wir haben – international gesehen – ein sicher sehr engmaschiges soziales Netz, aber Geld ist für einen Querschnittgelähmten nicht das Allerentscheidendste, sondern es geht um die Frage: Wo finde ich mich sinnvoll in der Gesellschaft wieder eingebracht?

In diesem Zusammenhang möchte ich – gestatten Sie mir das bei meiner letzten Rede – einige Per­s­onen namentlich erwähnen: Ich beginne mit Therapeutinnen am Weißen Hof: Frau Gschoss­mann, Frau Haas, Frau Klein, die viel mehr machen, als sie beruflich eigentlich tun müssten, und die – das möchte ich auch sagen – immer wieder psychisch sehr stark gefordert sind, und das bei einem verhältnismäßig schwachen Verdienst.

Ein ausgezeichneter Herr Dr. Linder führt dort die psychologische Beratung von Schwerstver­unfallten in bestmöglicher Form durch. Für viele steht die Frage im Raum: Warum ist das ge­schehen, und wie geht es weiter?

Die Stationsoberschwester Martha Ebner schafft es mit ihrer mütterlichen Art immer wieder, dass die Patienten untereinander ein gutes Einvernehmen haben.

An der Spitze steht Primarius Dr. Schrei, er und sein gesamtes Ärzteteam leisten wirklich her­vor­ra­gende Arbeit für die Versehrten.

Ich möchte am Schluss meiner Rede, nachdem ich Bücher liebe, aus einem Buch zitieren: Jörg Mauthe, „Nachdenkbuch für Österreicher, insbesondere Austrophile, Austromasochisten, Austro­­phobe und andere Austriaken“. Unter dem Titel „Die neun Geschwister“ sind die neun Bundesländer meiner Ansicht nach sehr typisch beschrieben. Und wenn Sie jetzt genau auf­passen, dann werden Sie sicher bemerken, welche Charakteristika Mauthe für Ihr jeweiliges Bundesland, von dem Sie als Mandatar entsandt sind, gefunden hat.

 


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