Bundesrat Stenographisches Protokoll 696. Sitzung / Seite 32

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Öffentlichkeit ausgetragen wurde und das weder eines Ministers der Republik Österreich noch eines leitenden Beamten würdig ist.

Beim vorherigen Tagesordnungspunkt, Herr Bundesminister, haben wir über Mediation als Methode zur Konfliktbereinigung gesprochen. So wie Sie, Herr Minister, und Ihr Ministerium den Konflikt mit dem beherzt um den Bestand eines erfolgreichen Bestandteils des österreichischen Justizwesens kämpfenden Präsidenten des Jugendgerichtshofes, Dr. Jesionek, geregelt haben, lässt das nicht einmal annähernd mediatives Handeln erkennen. Es war durch und durch autoritäres Handeln und reine Machtdemonstration. Das ist unwürdig und zum Schaden der österreichischen Strafrechtsentwicklung. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich redlich bemüht, sowohl im Gesetzes­text als auch in den Erläuterungen fachlich qualifizierte Begründungen für die Abschaffung des Jugendgerichtshofes Wien zu erkennen. Ich habe nichts gefunden, was mir als plausible und unabdingbare Gründe erscheinen hätte können.

Wenn ich lese, dass im Gegensatz zu anderen Gerichten der Jugendgerichtshof Wien weitaus weniger Fälle des außergerichtlichen Tatausgleiches aufweist und dies ein Abschaffungsgrund sein soll, dann frage ich mich, warum die in den letzten drei Jahren unverhältnismäßig hoch angestiegene Zahl von inhaftierten Jugendlichen kein Rücktrittsgrund für den zuständigen Minister ist.

Haben Sie, Herr Bundesminister, in beiden Fällen nach den Ursachen geforscht? Stellten Sie den Jugendgerichtshof als Ganzes in Frage, weil auch Ihnen zu Ohren gekommen ist, dass es zumindest einen oder vielleicht auch mehrere dort tätige Staatsanwälte gibt, die kein Freund von diversionellen Maßnahmen sind? Staatsanwälte sind weisungsgebunden. Warum haben Sie nicht gehandelt? – Vielleicht haben sich diese Frage auch die dort tätigen Richter gestellt und hat Ihnen daher der Mut gefehlt, sich gegen die Anträge der Staatsanwaltschaft zu stellen, denn eines ist sicher: Es sind zunächst die Staatsanwälte, die den Antrag auf diversionelle Maßnahmen zu stellen haben, und erst im zweiten Schritt ist der Richter zuständig. (Bundesrat Dr. Aspöck: Das kann aber auch der Richter von sich aus machen! Das ist ein zweiter Schritt!)

Vielleicht ist es auch vorauseilender Gehorsam, dass es nicht gemacht wurde. Wenn Ihnen, Herr Bundesminister, die Diversion so ein wichtiges Anliegen ist, warum haben Sie sich nie von der Aussage Ihres Parteikollegen und vormaligen Justizsprechers des Kabinetts Schüssel I, Dr. Harald Ofner, distanziert, der in einer der ersten Nationalratssitzungen der schwarz-blauen Bundesregierung die Abschaffung der Diversion gefordert hat? – Auch Sie selbst haben sich zu Beginn Ihrer Amtszeit nicht gerade als Freund der Diversion geoutet.

Warum signalisieren Sie weder Staatsanwälten noch Richtern, dass Sie die Diversion als geeig­netes Mittel ansehen und allfällige Folgen einer Tat auf eine den Umständen nach geeignete Weise ausgleichen? Jetzt den Vorwurf des zu geringen Einsatzes derartiger Maßnahmen wie den außergerichtlichen Tatausgleich zu erheben, kann ich daher nur im Licht eines faden­scheinigen Argumentes sehen.

Haben Sie sich auch die Frage gestellt, wo die Ursache für die hohe Anzahl von Häftlingen liegt? Haben Sie erkannt, dass dies ein Ausdruck einer in den letzten Jahren verstärkt zur An­wendung gelangten Justizpolitik, die dem Law-and-order-Prinzip huldigt, sein kann? Ich habe in meinem eigenen beruflichen Handlungsfeld erfahren, welche Auswirkungen Ihre Politik für die Betreuung jugendlicher Straftäter hat.

Die geographische Lage und auch die geringe Einwohnerzahl meines Heimatlandes Burgen­land haben den Aufbau ambulanter Betreuungsdienste nur unter erschwerten Bedingungen und mit hohem finanziellen Aufwand möglich gemacht. Als Form der Selbsthilfe haben sich daher die sozialen Institutionen des Landes zu einem Netzwerk zusammengefunden, das nicht nur eine gute psychosoziale Betreuung ermöglicht, sondern es wurden auch immer wieder soziale Projekte mit dem Ziel des Aufbaus weiterer Betreuungsdienste entwickelt.

 


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