Bundesrat Stenographisches Protokoll 696. Sitzung / Seite 34

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14.01


Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrte Damen und Herren des Bundesrates! Frau Bundesrätin Schlaffer! Ich möchte mich jetzt gleich zu Wort melden, damit Ihre Gesinnungsfreunde die Gelegenheit haben, sich noch zu melden und die Begründung nachzuliefern, die Sie jetzt nicht geben konnten.

Ich möchte Folgendes klarstellen: Sie haben keinen einzigen Grund genannt, der wirklich sach­lich maßgeblich für die Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Jugendgerichtshof war – keinen einzigen! (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Bundesräten der ÖVP.)

Ich sage Ihnen, was wirklich passiert ist – Sie sollten oder müssten es eigentlich wissen –: In der vergangenen Gesetzgebungsperiode wurden die Privilegien des Jugendgerichtsgesetzes auf zwei weitere Jahrgänge ausgedehnt, nämlich auf die 20- und 21-Jährigen. Das geschah in verminderter, kurvenartiger Form, und ein Jahrgang wurde zurückgenommen. Es gibt dadurch eine Einschleifregelung für die Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes, die nicht abrupt bei 19 Jahren endet und in die Welt der Erwachsenen überführt, sondern die bei 18 Jahren beginnt und bei 21 Jahren endet.

Dem Jugendgerichtshof ist – wie jedem anderen Gerichtshof auch – eine Haftanstalt ange­schlossen, nämlich die Justizanstalt Erdberg, in der es 40 Zellen gibt. Diese sind sehr klein, sehr alt und nicht erweiterbar, da es sich um ein denkmalgeschütztes Gebäude handelt.

Durch die Erweiterung der Privilegien des Jugendstrafrechtes in Verbindung mit dem Umstand, dass die jungen Erwachsenen von den Jugendrichtern verhandelt werden sollen, weil das so ge­wollt worden ist und wir diesem Wunsch nachgekommen sind, bestand mehr Haftbedarf. Das ist ganz logisch. Es ist auch logisch, dass die Jahrgänge 20 und 21 mehr Delikte begehen als zum Beispiel die 14- und 15-Jährigen. Es ist leider weiters eine Tatsache, dass Jugendliche ihre Delikte in Gruppen begehen. Der Jurist nennt das „Banden“. Das führt notwendigerweise zu dem Umstand, dass der Untersuchungsrichter die Jugendlichen, wenn sie bei Begehung der Tat betreten wurden, nach der Tat getrennt vernehmen muss. Das bedeutet die Notwendigkeit der U-Haft, weil sie nicht auf freiem Fuß angezeigt werden können, wenn sie zum Beispiel eine Tankstelle, eine Person oder eine Trafik überfallen haben. Das bedeutet auch mehr Haftbedarf und außerdem, dass wir mit 40 Zellen in der Justizanstalt Erdberg nicht mehr das Auslangen gefunden haben.

Herr Präsident Jesionek hat dabei zugesehen, dass in einigen der 40 Zellen Stockbetten gestellt wurden, die Jugendlichen in unzulässig beengten Räumlichkeiten leben mussten und dadurch die Zellen so sehr überausgenutzt waren, also zu klein geworden waren, dass diese Zellenverwendung der Anti-Folter-Konvention widersprach. (Bundesrat Gasteiger: Jetzt kommen die G’schichterln!)

Wir konnten dem nicht mehr länger zusehen. Man kann nicht 170 Personen in 40 Zellen inhaftieren – und das war der zusätzliche Haftbedarf auf Grund der Modernisierung der Novelle. Des­halb mussten wir eine neue, angemessene Umgebung für die Jugendlichen suchen.

Die Zellen in Erdberg sind nicht nur zu klein, sondern auch alt. Die WCs sind nur durch Vorhänge abge­trennt, die Jugendlichen wurden durch die zu engen Raumverhältnisse auch unnötig aggressiv und haben die Vorhänge angezündet. In einem Gefängnis dauert es eben einige Tage – manchmal mehr als eine Woche –, bis dort wieder neue Vorhänge hängen. Und gerade im jugendlichen Alter ist die Verletzung der Intimsphäre – diese war die Folge, wenn nicht einmal mehr Vorhänge vorhanden waren – eine besonders heikle Sache. Das, was sich dort abgespielt hat, war unzumutbar – und dies als Ergebnis einer modernisierten Jugendge­richts­­barkeit durch die Ausdehnung auf zwei Jahrgänge.

Ich hatte mit Herrn Präsidenten Jesionek nicht den geringsten Konflikt. Er war der Erste, der auf Grund des Prozessbegleitungsfonds, den wir eingerichtet haben, taxfrei 100 000 S a conto von mir bekommen hat. Sein eigenes Umfeld hat sich gewundert, warum der Parteigegner Böhm­dorfer dem Sozialdemokraten Jesionek 100 000 S gibt. Ich habe geantwortet: weil er Richter ist,


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