Bundesrat Stenographisches Protokoll 696. Sitzung / Seite 38

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Es geht bei dieser Gesetzesvorlage in Wirklichkeit um die Zerschlagung des Jugendgerichts­hofes, auch wenn der Tagesordnungspunkt heißt: Bundesgesetz, mit dem das Jugendgerichts­gesetz 1988 und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Keine politische Partei hat die Zerstörung einer so beispielgebenden Einrichtung zur Resozialisierung Jugendlicher in ihrem Wahl- oder Parteipro­gramm jemals gehabt – weder die ÖVP noch die FPÖ, aber das war bei anderen, dem Wohl der Menschen widersprechenden Regierungsvorhaben im Wahlkampf auch nicht der Fall.

Herr Bundesminister! Dass diese Idee nicht von Ihnen stammt beziehungsweise nicht von Ihnen kommen kann und auch nicht Ihrem Verständnis für Resozialisierung Jugendlicher entspricht, würde ich Ihnen im positiven Sinn „unterstellen“. Unsere Bemühungen um Sachlichkeit gingen so weit, dass wir eine Enquete veranstaltet haben, um mit in- und ausländischen Wissen­schaftlern dieses Thema zu beraten.

Herr Bundesminister! Sie kennen das Ergebnis dieser Beratungen. Viele von Ihnen hier wissen, was bei dieser Enquete herausgekommen ist. Sukkus der Aussagen aller Fachleute war, dass es sich bei der Auflösung des Jugendgerichtshofes um einen „justizpolitischen Wahnsinn“ handelt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Da kann man wirklich nicht sagen, das sei parteipoli­tisch gefärbt, da wolle man nur politisches Kleingeld machen, sondern da geht es um Grund­sätzliches. Da geht es in die Tiefe: Einen Jugendgerichtshof zu zerschlagen und das Ganze auf 12 Gerichte in Wien aufzuteilen, bewirkt eine klare Verschlechterung beim Umgang mit jungen Menschen.

Gerade hier – und da sind wir uns, glaube ich, alle einig; nur hinsichtlich der Umsetzung sind wir anderer Meinung – darf man Jung und Alt nicht „gemeinsam“ – unter Anführungszeichen – betreuen. Es muss uns darum gehen, zu verhindern, dass junge Menschen kriminell werden beziehungsweise nicht bleiben, wenn sie in die Kriminalität abgerutscht sind. Es heißt ja nicht, einen Fehltritt zu machen, einmal hinzufallen, bedeutet, ewig liegen zu bleiben. Es ist in unser aller Sinn, dass wir da Hilfestellung leisten, damit die Jugendlichen wieder aufstehen können.

Eine schlechte Auslastung der Gefängnisse kann wohl nicht der Grund sein, Herr Minister, der Sie zu dieser Maßnahme veranlasst hat. Ich sage Ihnen nichts Neues; Sie kennen wahrschein­lich sogar die Zahlen vom gestrigen oder heutigen Tag. Mit unseren über 8 000 Haftplätzen fin­den wir nicht das Auslangen. Wir haben eine Auslastung der Plätze nicht nur von 100 Prozent – so schlimm das klingen mag –, sondern darüber hinaus. Wir haben mehr Häftlinge, als es dafür Plätze gibt.

Dabei gibt es – ich habe das heute schon einmal angesprochen – ein großes Ost-West-Gefälle. Wenn wir uns in Wien die Dienststelle Josefstadt ansehen, dann können wir feststellen, dass es dort mehr Insassen gibt, als mit 950 Haftplätzen das Auslangen gefunden werden kann.

Herr Minister! Sie wissen das ganz genau, und das ist auch der Grund, warum für die Justiz­anstalt Josefstadt eine Außenstelle in Simmering errichtet wurde, und zwar für U-Häftlinge. Wenn wir das wissen, dann können wir doch nicht von einer besseren Auslastung sprechen und davon, dass wir den Jugendgerichtshof nicht mehr brauchen. Wir hätten nichts anderes machen müssen, als den Jugendgerichtshof Wien, der in Wirklichkeit wunderbar funktioniert hat, mit einem zweiten Haus zu erweitern. Auch diese Möglichkeit hätte es zweifelsohne gegeben.

Genau die gleiche Frage stellte sich, als Sie Ersatz für die U-Häftlinge gefunden haben. Wenn man sucht, dann findet man eine Lösung. Herr Minister! Ich bin überzeugt, Sie hätten gefunden, wenn Sie gewollt hätten.

Wir wollen keine Zerstörung eines bestens funktionierenden Jugendstrafvollzuges, der sich in erster Linie die prophylaktische Arbeit mit Jugendlichen zur Verhinderung einer „Karriere“ in der Szene der Kriminellen zur Aufgabe gemacht hat.

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite