Es geht bei dieser
Gesetzesvorlage in Wirklichkeit um die Zerschlagung des Jugendgerichtshofes,
auch wenn der Tagesordnungspunkt heißt: Bundesgesetz, mit dem das
Jugendgerichtsgesetz 1988 und das Gerichtsorganisationsgesetz geändert werden.
Meine sehr verehrten
Damen und Herren! Keine politische Partei hat die Zerstörung einer so
beispielgebenden Einrichtung zur Resozialisierung Jugendlicher in ihrem Wahl-
oder Parteiprogramm jemals gehabt – weder die ÖVP noch die FPÖ, aber das
war bei anderen, dem Wohl der Menschen widersprechenden Regierungsvorhaben im
Wahlkampf auch nicht der Fall.
Herr
Bundesminister! Dass diese Idee nicht von Ihnen stammt beziehungsweise nicht
von Ihnen kommen kann und auch nicht Ihrem Verständnis für Resozialisierung
Jugendlicher entspricht, würde ich Ihnen im positiven Sinn „unterstellen“.
Unsere Bemühungen um Sachlichkeit gingen so weit, dass wir eine Enquete
veranstaltet haben, um mit in- und ausländischen Wissenschaftlern dieses Thema
zu beraten.
Herr
Bundesminister! Sie kennen das Ergebnis dieser Beratungen. Viele von Ihnen hier
wissen, was bei dieser Enquete herausgekommen ist. Sukkus der Aussagen aller
Fachleute war, dass es sich bei der Auflösung des Jugendgerichtshofes um einen
„justizpolitischen Wahnsinn“ handelt.
Meine sehr
verehrten Damen und Herren! Da kann man wirklich nicht sagen, das sei
parteipolitisch gefärbt, da wolle man nur politisches Kleingeld machen,
sondern da geht es um Grundsätzliches. Da geht es in die Tiefe: Einen
Jugendgerichtshof zu zerschlagen und das Ganze auf 12 Gerichte in Wien
aufzuteilen, bewirkt eine klare Verschlechterung beim Umgang mit jungen
Menschen.
Gerade hier –
und da sind wir uns, glaube ich, alle einig; nur hinsichtlich der Umsetzung
sind wir anderer Meinung – darf man Jung und Alt nicht „gemeinsam“ –
unter Anführungszeichen – betreuen. Es muss uns darum gehen, zu
verhindern, dass junge Menschen kriminell werden beziehungsweise nicht bleiben,
wenn sie in die Kriminalität abgerutscht sind. Es heißt ja nicht, einen
Fehltritt zu machen, einmal hinzufallen, bedeutet, ewig liegen zu bleiben. Es
ist in unser aller Sinn, dass wir da Hilfestellung leisten, damit die
Jugendlichen wieder aufstehen können.
Eine schlechte
Auslastung der Gefängnisse kann wohl nicht der Grund sein, Herr Minister, der Sie
zu dieser Maßnahme veranlasst hat. Ich sage Ihnen nichts Neues; Sie kennen
wahrscheinlich sogar die Zahlen vom gestrigen oder heutigen Tag. Mit unseren
über 8 000 Haftplätzen finden wir nicht das Auslangen. Wir haben eine
Auslastung der Plätze nicht nur von 100 Prozent – so schlimm das
klingen mag –, sondern darüber hinaus. Wir haben mehr Häftlinge, als es
dafür Plätze gibt.
Dabei gibt
es – ich habe das heute schon einmal angesprochen – ein großes
Ost-West-Gefälle. Wenn wir uns in Wien die Dienststelle Josefstadt ansehen,
dann können wir feststellen, dass es dort mehr Insassen gibt, als mit 950
Haftplätzen das Auslangen gefunden werden kann.
Herr Minister! Sie
wissen das ganz genau, und das ist auch der Grund, warum für die Justizanstalt
Josefstadt eine Außenstelle in Simmering errichtet wurde, und zwar für
U-Häftlinge. Wenn wir das wissen, dann können wir doch nicht von einer besseren
Auslastung sprechen und davon, dass wir den Jugendgerichtshof nicht mehr
brauchen. Wir hätten nichts anderes machen müssen, als den Jugendgerichtshof
Wien, der in Wirklichkeit wunderbar funktioniert hat, mit einem zweiten Haus zu
erweitern. Auch diese Möglichkeit hätte es zweifelsohne gegeben.
Genau die gleiche
Frage stellte sich, als Sie Ersatz für die U-Häftlinge gefunden haben. Wenn man
sucht, dann findet man eine Lösung. Herr Minister! Ich bin überzeugt, Sie
hätten gefunden, wenn Sie gewollt hätten.
Wir wollen keine
Zerstörung eines bestens funktionierenden Jugendstrafvollzuges, der sich in
erster Linie die prophylaktische Arbeit mit Jugendlichen zur Verhinderung einer
„Karriere“ in der Szene der Kriminellen zur Aufgabe gemacht hat.
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