Bundesrat Stenographisches Protokoll 696. Sitzung / Seite 42

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So viel Nonsens zu diesem Thema habe ich noch nie gehört! (Beifall bei der SPÖ. – Bundesrat Konecny: Jawohl!)

Ich gehe im Gegensatz zu Ihnen, Herr Aspöck, im Jugendgerichtshof Wien seit 26 Jahren ein und aus und kenne das Haus mit Sicherheit von allen hier in diesem Haus am besten. Ich kenne es wahrscheinlich auch besser als der zuständige Herr Justizminister, weil ich im Auftrag des Justizministeriums dort tätig bin. (Bundesrat Konecny: Das muss man schnell ändern und Schennach abdrehen!)

Der Herr Justizminister ist seit seinem Amtsantritt oft kritisiert worden, ich sage: oft auch über­zogen kritisiert worden, im dem einen oder anderen Fall vielleicht auch zu Unrecht, aber in diesem Bereich, bei dieser Materie, Herr Minister, verdienen Sie die Kritik zu Recht.

Da Herr Gruber so besonders amüsiert war: Es sind keine Volltrotteln gewesen, die 1919 und 1920 beisammen gesessen sind und die österreichische Bundesverfassung erarbeitet haben. Diese haben 1919 und 1920 eine rechtsstaatliche Anomalie als notwendig erkannt und festge­schrieben. Das ist eine Gerichtskonstruktion, die zwischen Bezirksgericht und Landesgericht angesiedelt ist. Das waren Leute – und darunter waren auch welche aus dem christdemokrati­schen Lager; Sie wissen das –, die diese Notwendigkeit erkannt haben, und sie haben eine Konstruktion der Bündelung an Wissen, der Bündelung an Resozialisierung und der Bündelung an Organisation geschaffen.

Wissen Sie, wer aller in diesem Jugendgerichtshof ansässig ist? – Das sind das Jugendamt, die Jugendgerichtshilfe, das Pflegschaftsgericht, das Landesgericht, das Bezirksgericht, das Gefan­genenhaus und die Bundespolizeidirektion.

Das heißt, wir haben hier eine unglaubliche Bündelung. Heute, mit der Zustimmung zur Schlie­ßung, splittern wir das auf 14 Gerichte in Wien auf. Wir hatten seit 1920, respektive seit es das Haus in der Rüdengasse gibt, eine Zusammenfassung. Ich glaube, das war 1928, vorher war es im 10. Bezirk.

Dieses Modell ist natürlich auf eine Großstadt zugeschnitten. Es ist doch Nonsens, eine solche Konstruktion für Kärnten, Salzburg oder Tirol zu erfinden! Das ist das Modell für eine Großstadt mit ihren spezifischen, jugendkriminellen Entwicklungen in Bezug auf Jugendbandentum und so weiter.

Herr Bundesminister Böhmdorfer weiß das, und er weiß es von seinen Vorgängern. Übrigens, bei allem Respekt: dass Herr Minister Foregger und Herr Minister Michalek Parteimitglieder der SPÖ sind, ist mir neu. Ich würde sagen, sie würden hier wahrscheinlich eine tatsächliche Berichtigung verlangen. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Aspöck.)

Sie wissen doch, wie lange ... (Bundesrat Dr. Aspöck: Den Jugendgerichtshof hat es lange genug gegeben, da hat es sozialistische Minister gegeben!) Sie haben gesagt, der Vorgänger des Herrn ... (Bundesrat Dr. Aspöck: Ich habe gesagt, vor vielen Jahren! – Bundesrat Konecny: Nein, das haben Sie nicht gesagt!)

Wissen Sie, es geht hier doch gar nicht darum, ob das ein rotes Haus ist oder nicht. Vielleicht ist das die Motivation der FPÖ oder des Herrn Ministers. Oder geht es tatsächlich um die persön­lichen Unverträglichkeiten zwischen Jesionek und Böhmdorfer? – Herr Böhmdorfer streitet das ab, das gab es nicht. Ich nehme das einmal zur Kenntnis.

Ich gehe jetzt auf die Argumente des Herrn Ministers ein. Das erste ist die rechtspolitische Anomalie. – Diese Anomalie war von den Verfassungsgebern der Zweiten Republik ganz bewusst gewünscht, und diese rechtsstaatliche Anomalie ist ein Vorbild.

Sehen Sie sich die Entwicklung in den Reformstaaten an! Der Jugendgerichtshof Wien, der jetzt abgeschafft wird, entsteht derzeit nach österreichischem Muster in den Reformstaaten, entstand nach österreichischem Vorbild in Japan, wobei Japan noch das Familienrecht hinzugefügt hat und damit über das Vorbild Österreich sogar weit hinausgegangen ist.

 


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