Bundesrat Stenographisches Protokoll 696. Sitzung / Seite 43

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Nächstes Argument, lieber Kollege Vincenz Liechtenstein: Herr Dr. Böhmdorfer sagt immer wieder: dieses Armenhaus in der Rüdengasse. – Das ist kein Armenhaus, das war ein hoch modernes Gericht! Vor vier Jahren hat die Republik, haben die Vorgänger von Herrn Dr. Böhm­dorfer 90 Millionen Schilling in die Sanierung des Gebäudes in der Rüdengasse investiert. Das ist ja unglaublich! 90 Millionen Schilling wurden in ein Objekt investiert.

Richtig, es gab Gebäudeteile, die sanierungsbedürftig waren, da haben Sie völlig Recht. Ich kenne diese Zellen. Da waren Teile noch nicht saniert, und das ist abträglich gewesen, es war unzumutbar, dass Jugendliche dort aufbewahrt werden.

Aber bei aller Zusammenführung, die wir in der Rüdengasse hatten, war eines garantiert: die Trennung von Erwachsenen und Jugendlichen. Mit diesem Milieu sind die Jugendlichen in der Rüdengasse nicht zusammen gekommen.

Hätten wir den 90 Millionen Schilling vielleicht noch 5, 6 oder 7 Millionen Schilling nachfolgen lassen, dann wären auch jene Teile, die nicht der Menschenrechtskonvention entsprochen haben, saniert worden. Aber was wurde eingesetzt? – Nichts! Wir haben in der Rüdengasse hoch moderne Lehr- und Unterrichtsräume. Das Justizministerium hat das Personal abgezogen! Da standen hoch moderne Unterrichts- und Lehrwerkstätten still!

Dort, wo die Jugendlichen jetzt hinkommen, können Sie weder Fußball spielen, noch bekom­men sie eine Ausbildung. Das wird alles noch kommen, aber in der Zeit, die das, was der Herr Minister angekündigt hat, braucht, hätten wir das in der Rüdengasse schon längst erledigen können.

Weiters: die Transportkosten. Es war klar – das sollte wohl ein Grundsatz dieser Trennung sein –, dass weibliche Gefangene im Gefangenenhaus in der Rüdengasse nichts zu suchen haben, es war klar, dass volljährige Komplizen dort nichts zu suchen haben, und es war klar, dass Häftlinge, die unter besonderem Maßnahmenvollzug sind, dort nichts zu suchen haben. Aber Transportkosten haben wir jetzt auch! Jetzt haben wir 14 Gerichte, die dafür zuständig sind, und jetzt müssen wir wiederum die Gefangenen durch Wien transportieren. Die Transport­kosten können also nicht der Grund für die Schließung des Jugendgerichtshofes sein.

Gehen wir in der Geschichte des Hauses in der Rüdengasse noch ein Stück zurück! Ich möchte nur zwei Dinge erwähnen. Einer der Meilensteine auch dieses Gremiums hier war sicherlich die Verabschiedung des außergerichtlichen Tatausgleiches. Das war sicherlich ein Meilenstein in der Justizgeschichte. Aber das ging nicht ohne die Vorarbeit und ohne ein maßgebliches Zutun des Wissens, das im Hause des Jugendgerichtshofes erarbeitet wurde. – Herr Minister Böhm­dorfer! Wenn Sie fair sind, dann werden Sie zugeben, welche besondere Rolle der Jugendge­richtshof dabei immer wieder gespielt hat.

Nächster Punkt: Die Jugendgerichtshilfe, deren Sitz in der Rüdengasse war, hat in den letzten Jahren ein Anti-Aggressions-Modell entwickelt, das heute international von hohem Wert ist und hohe Anerkennung findet. Dieses Anti-Aggressions-Modell hat die Jugendgerichtshilfe natürlich dort verwirklichen können, wo alles wieder zusammen war, nämlich im Gefangenenhaus in der Rüdengasse.

Nun kommen die Jugendlichen in ein Haus mit 1 300 Häftlingen. Ich habe mir einen Bericht her­ausgesucht. (Zwischenruf des Bundesrates Ing. Franz Gruber.) – Herr Gruber, ich würde Sie gerne einmal einladen, sich anzuschauen, wie das ist, wenn 1 300 Häftlinge nach 15 Uhr mit 35 Wachebeamten in einem Haus sind, wenn 15- bis 17-jährige Jugendliche Zelle an Zelle neben Mafiapaten aus der polnischen Szene einquartiert werden! Kollege Gruber! Angesichts dessen sollten Sie keine solchen Zwischenrufe mehr machen!

Das ist die Realität: 35 Wachebeamte mit 1 300 Häftlingen! Und das nennen Sie heute „Erfolg für die Jugendlichen“?! – In der Rüdengasse konnten die Jugendlichen ruhig schlafen, ohne daran denken zu müssen, dass neben ihnen, in der nächsten Zelle, Leute der Mafia oder andere schwere Burschen sitzen.

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite