Es geht darum:
Wenn heute ein Jugendlicher mit der Justiz in Berührung kommt, dann gibt es in
der Regel eine entsprechende Familiengeschichte. Professor Friedrich hat das
bei der Enquete auch gesagt: Wenn die Familie bereits über zwanzig Mal einen
polizeilichen Kontakt hatte, dann ist das Allerwichtigste für die
Resozialisierung, den Jugendlichen genau diesem Milieu zu entziehen, damit
Resozialisierung überhaupt eine Chance
hat. – Und jetzt kommen diese Jugendlichen in ein Haus, in dem auch
ältere, erwachsene Gefangene einsitzen.
Ich hatte in der
Betreuung in der Rüdengasse einmal einen Jugendlichen, der wegen zwei Kassetten,
die er aus einem Auto entwendet hat, neun
Monate lang gesessen ist. Er war 15 Jahre alt, und das Gericht hat
ihn nach neun Monaten U-Haft freigesprochen. Der Richter hat nachher gesagt:
Glauben Sie nicht, Sie haben jetzt ein Guthaben für die Zukunft! – Es
wurde erklärt, wie wichtig es ist, dass gerade solche Jugendliche nicht mit einem Gefangenenhaus in
Berührung kommen, das für sie prägend wird, in dem sie vielleicht sexuelle
Nötigung oder andere Formen von Erpressung erleben! Es geht darum, zu verhindern, dass diese Jugendlichen
dort neue Vorbilder bekommen, nämlich tatsächlich kriminelle Vorbilder.
Den Jugendlichen
mit den zwei Kassetten und neun Monaten U-Haft konnten wir Gott sei Dank so
weit resozialisieren, dass er bis zum heutigen Tag nicht mehr straffällig
geworden ist.
Lassen Sie mich
noch einen Punkt erwähnen! Ich muss bei der Jugendgerichtsbarkeit auch auf den
Hintergrund hinweisen. Wir verzeichnen seit dem Jahre 2000 Zuwächse, die
beängstigend sind! Im Suchtgiftbereich: plus 60 Prozent, gewerbsmäßiger
Diebstahl: plus 84 Prozent, Haftzugänge Jugendliche: plus
66 Prozent, Haftzugänge junge Erwachsene – das sind jene zwischen 19
und 21 Jahren –: plus 35 Prozent.
Dazu kommt bei den
jungen Erwachsenen, dass das Parlament quasi mit einem Federstrich beschlossen
hat, dass die volle Straffähigkeit um ein Jahr gesenkt wird. Mit einem kleinen
„Aufzeigen“ bei der Abstimmung hat man im Grunde die Verdoppelung des
Strafrahmens riskiert.
Ich möchte wissen,
wo da der große Sprung zwischen 18 und 19 ist, für den man den Strafrahmen
einfach verdoppelt! Mit welchem Recht man da die Besonderheiten des
Jugendgesetzes einfach beiseite schiebt, das ist eine Frage, die sich der
Gesetzgeber, wie ich meine, besser überlegen hätte sollen. Ein paar Dinge wären
dabei wohl noch zu berücksichtigen gewesen.
Die Grenzmengen
für Drogen sind herabgesetzt worden, was einer Erhöhung der Strafen
gleichkommt.
Zu den bedingten
Entlassungen: Herr Minister! Die Entwicklung in diesem Bereich bedauere ich
sehr! Sie wissen, was das für die Resozialisierung bedeutet. 80 Prozent
der Verurteilten sitzen derzeit ihre Strafe ab. Dieser Rückgang bei den
bedingten Entlassungen, die gerade die Chance bieten würden, den Jugendlichen
durch verschiedenste Möglichkeiten wieder in die Gesellschaft zu integrieren,
ist bedenklich. Nicht das Wegsperren ist à la longue das Ziel, sondern die
Resozialisierung. Und gerade die Zahl der bedingten Entlassungen geht zurück!
Eine Zahl, Herr
Kollege Gruber: Die Bewährungshilfe kostet am Tag 10 €, die Haftanstalt
100 €. – Ich frage mich, was à la longue insgesamt – wenn man
noch das Sozialsystem dazurechnet – günstiger kommt: die Haft oder die
Bewährung, die schrittweise Resozialisierung und das Vermeiden des Kontaktes
mit schweren Kriminellen. Es geht darum, zu verhindern, dass die
Kriminalisierung, die Stufe der Gewalt, so früh in einem Leben einsetzt. Es
geht darum, zu verhindern, dass die Jugendlichen neue kriminelle Vorbilder
bekommen. Dies wird aber unter Umständen der Fall sein, wenn jetzt der
Jugendgerichtshof seine Pforte schließen muss.
Herr Minister
Böhmdorfer! Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie oft zu Unrecht oder zu hart
kritisiert wurden. Aber ich sage Ihnen auch ganz ehrlich: Ich glaube, das ist
einer der entscheidendsten Fehler in Ihrer Amtszeit.
Minister Grasser,
der lange Zeit Ihr Parteikollege war, hat diese Woche gesagt: Wir haben Fehler
gemacht. – Es wäre schön, wenn Sie sagen könnten: Ich habe mit der
Abschaffung, mit der Auflösung des Jugendgerichtshofes überzogen, ich habe
tatsächlich einen Fehler gemacht.
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