es ist eine
Forderung an die Adresse der Bundesregierung – hat aber ganz
offensichtlich nicht jene Beantwortung gefunden, die sie verdient.
Dieses Land,
Österreich, verdankt seine Geltung, seine Identität jener Vielfalt, die uns
auszeichnet. Dieses Österreich ist ein Land – ich hoffe doch – der
nationalen, der religiösen und der kulturellen Vielfalt und jener Toleranz, die
die Entwicklung dieser Vielfalt ermöglicht.
Wir haben eine
Vielzahl von staatlichen Instrumenten der Förderung, die diese Vielfalt ermöglichen
und unterstützen sollen, und das halten wir – ich hoffe, alle – für
richtig.
Wir fördern die
autochthonen nationalen Minderheiten in unserer Republik, die auch ihre
sprachliche Identität bewahren sollen. Wir fördern die Religionsgemeinschaften
in unserem Land. Wir bemühen uns, den vielfältigen regionalen Aspekten unserer
Vielfalt gerecht zu werden. Wir fördern naturgemäß auch kulturelle Initiativen
sehr unterschiedlichen Zuschnitts – ich hoffe, in der genügenden Breite,
obwohl wir diesbezüglich auch gelegentlich Kritik anzumerken haben. Wir
fördern politische, ideologische Gruppierungen und die von ihnen gesetzten
Maßnahmen zur Verbreitung der Ansichten, die sie vertreten. Wir fördern
Publikationen, die diese Standpunkte zum Ausdruck bringen.
Wir haben in den
letzten Jahren beim Ausbau dieser Förderungen sicherlich nicht in dem Ausmaß
Schritt gehalten, wie es einer differenzierten Gesellschaft angemessen gewesen
wäre. Wir haben das Diktat der angeblich leeren Kassen auch in diesem Bereich
durchschlagen lassen.
Das sind die
Rahmenbedingungen, unter denen dieses Thema zu diskutieren ist. Aber jene
Aspekte, denen sich unsere dringliche Anfrage widmet, sind nicht nur in diesem
Zusammenhang zu debattieren. Dass jüdische Mitbürger – in Klammer gesagt:
religiös oder nicht religiös – ein wichtiges und in vielen Bereichen
geradezu identitätsstiftendes Merkmal dieses Landes waren, ist jedem bekannt,
der das nicht verdrängen will.
Ich erspare es
mir, jene lange Liste von Nobelpreisträgern, Wissenschaftlern und Künstlern
aufzuzählen, auf die dieses Land – manchmal zu Recht und oft nicht zu
Recht – stolz ist, das heißt: Stolz kann man schon auf sie sein, aber ob
wir ein Recht darauf haben, uns heute mit ihnen zu brüsten, das ist in vielen
Fällen höchst zweifelhaft!
Aber sie sind
jedenfalls ein Stück der positiven Identität dieses Landes, das über weite
Strecken – wenn ich in die Landschaft schaue: über weite Teile unserer
Republik – vernichtet und zahlenmäßig nur mehr zu einem Bruchteil
einstiger Größe vorhanden ist.
Wir kennen heute
die Namen von 65 000 österreichischen Juden, die ermordet wurden, wir
wissen um die Schicksale. Unsere Kinder – und ich habe das für eine der
schönsten Aktionen gehalten – haben ihnen Botschaften geschickt, und zwar
an die einzige Adresse, die es, wenn man das glaubt, noch gibt: nach oben, in
den Himmel.
Was es heute noch
gibt, sind kleine Restbestände. Es ist eine Ehre für unser Land und für jene,
die solche Aktivitäten initiiert haben, dass wir dem in vielen Bereichen
gedenken, es würdigen und Einrichtungen schaffen, die das tun. Wir haben in
Hohenems, in Eisenstadt, in Wien jüdische Museen. Wir haben Gedenksteine und
Gedenkmale, wir haben von der Bevölkerung stark angenommene Gedenkfeiertage wie
die Befreiung Mauthausens oder die Feier hier im Parlament. – All das ist
wichtig!
Das Gedenken an
die Toten der Shoah ist ein
Element, aber wir sollten um nichts in der Welt den Eindruck entstehen lassen,
dass bei diesem Gedenken nur eines stört, nämlich die paar lebenden Juden, die
es in Österreich noch gibt.
Wenn wir Schuld
zum Ausdruck bringen – keine, die einer von denen, die hier im Saal
sitzen, trägt, aber eine Schuld unserer gemeinsamen Geschichte –, wenn wir
ein Ja sagen zu dieser Vielfalt, dann müssen wir auch – und gerade –
die wenigen lebendigen Zentren jüdischen Lebens in unserem Land erhalten, und,
wenn sie das aus eigener Kraft nicht können, sie dabei unterstützen.
Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite