Die Israelitische
Kultusgemeinde in Wien ist eine kleine Gemeinde geworden, sie ist allein in
jener Zeit, in der ich ihr Schicksal verfolge, auf etwa die Hälfte der
Mitglieder geschrumpft, und sie hat unter anderem auch für den hohen
Prozentsatz älterer und hilfsbedürftiger Gemeindemitglieder die finanzielle
Belastung zu tragen. Sie mit den vielfältigen Einrichtungen, die sie erhält,
und mit den vielfältigen Leistungen, die sie erbringt, allein zu lassen, ist
unseres Landes nicht würdig!
Sich darauf zu verlassen,
dass uns größere, finanzstärkere jüdische Gemeinden – die gibt
es –gewissermaßen aus der Verantwortung entlassen, indem sie aus Amerika
etwas überweisen, wäre eine wahrhaft miese Haltung, die unserem
Selbstverständnis – das gilt jedenfalls für uns – nicht gerecht
werden würde.
Der Präsident der
Israelitischen Kultusgemeinde hat rechtzeitig und in klaren Worten auf den
Notstand dieser Gemeinschaft aufmerksam gemacht. Es hat Gespräche
gegeben – so weit ich weiß, auch mit Ihnen, Frau Bundesministerin –,
die nicht erquicklich verlaufen sind und jedenfalls bislang zu keinen
Resultaten führten.
Ich will mich gar
nicht in extenso in die Diskussion darüber einschalten, wie nun der Herr Bundeskanzler
mit welchen Worten reagiert hat. Wenn es so war, wie es mitgeteilt wurde, ist
es einfach schmerzlich. Wenn es nicht so war und er nur ohne die Hinzufügung
eines Epitheton ornans von „Mossad-Agenten“ gesprochen hat, war es zumindest
geschmacklos.
Aber darum geht es
nicht! Es geht darum, dass sich die Republik als politischer Ausdruck unserer
Geschichte und unserer geschichtlichen Verantwortung dieser Verantwortung
stellt, und es geht darum, dass sich die Regierung als politischer
Mandatsträger dieses Volkes ihrer Verantwortung stellt! (Beifall bei der
SPÖ und den Grünen.)
Ich habe mir
persönlich vor dieser Wortmeldung sehr bewusst verboten, auch nur annäherungsweise
an Polemik heranzukommen, denn das
ist kein Thema dafür! Ich klage nicht an, ich mache keine Vorwürfe, ich
attackiere auch Sie nicht, Frau Bundesministerin (Zwischenruf des Bundesrates Bieringer), aber ich erwarte eine klare und positive Antwort.
Diese dringliche
Anfrage hat einen einzigen Zweck, nämlich Ihnen die Möglichkeit zu geben, vor
einer Kammer des österreichischen Parlaments klar zum Ausdruck zu bringen: Ja,
wir drücken uns nicht vor dieser Verantwortung, wir sind bereit, einzuspringen
und zu helfen!
Ich mache am
Schluss meines Debattenbeitrages nichts anderes als auszudrücken, dass ich von
Ihnen erwarte, dass Sie dieser Verantwortung gerecht werden! (Beifall bei
der SPÖ und den Grünen sowie des Bundesrates Dr. Liechtenstein.)
16.08
Vizepräsident
Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der an sie
gerichteten Anfrage erteile ich Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft
und Kultur, Elisabeth Gehrer, das Wort. – Bitte.
16.09
Bundesministerin
für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Regierung drückt sich vor
keiner
Verantwortung in keinem Bereich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Zum
grundsätzlichen Verständnis muss ich in der Geschichte etwas weiter
zurückgehen: Die Republik hat nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im
Jahre 1960 ein Gesetz beschlossen, nach dem für verlorenes Vermögen von
Religionsgemeinschaften jährliche Zahlungen geleistet werden, und zwar als
Entschädigungszahlungen.
In diesem Gesetz
wurde damals vereinbart, dass eine einmalige Zahlung geleistet wird und dazu
jährliche Zahlungen, die etwa alle sechs Jahre, wenn der Geldwertschwund ein
bestimmtes Maß überschritten hat, valorisiert werden, das heißt also, dass
dieses Gesetz von 1960 dann novelliert wird.
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