Bundesrat Stenographisches Protokoll 696. Sitzung / Seite 62

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Die Israelitische Kultusgemeinde in Wien ist eine kleine Gemeinde geworden, sie ist allein in jener Zeit, in der ich ihr Schicksal verfolge, auf etwa die Hälfte der Mitglieder geschrumpft, und sie hat unter anderem auch für den hohen Prozentsatz älterer und hilfsbedürftiger Gemeinde­mitglieder die finanzielle Belastung zu tragen. Sie mit den vielfältigen Einrichtungen, die sie erhält, und mit den vielfältigen Leistungen, die sie erbringt, allein zu lassen, ist unseres Landes nicht würdig!

Sich darauf zu verlassen, dass uns größere, finanzstärkere jüdische Gemeinden – die gibt es –gewissermaßen aus der Verantwortung entlassen, indem sie aus Amerika etwas überweisen, wäre eine wahrhaft miese Haltung, die unserem Selbstverständnis – das gilt jedenfalls für uns – nicht gerecht werden würde.

Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde hat rechtzeitig und in klaren Worten auf den Notstand dieser Gemeinschaft aufmerksam gemacht. Es hat Gespräche gegeben – so weit ich weiß, auch mit Ihnen, Frau Bundesministerin –, die nicht erquicklich verlaufen sind und jeden­falls bislang zu keinen Resultaten führten.

Ich will mich gar nicht in extenso in die Diskussion darüber einschalten, wie nun der Herr Bun­deskanzler mit welchen Worten reagiert hat. Wenn es so war, wie es mitgeteilt wurde, ist es einfach schmerzlich. Wenn es nicht so war und er nur ohne die Hinzufügung eines Epitheton ornans von „Mossad-Agenten“ gesprochen hat, war es zumindest geschmacklos.

Aber darum geht es nicht! Es geht darum, dass sich die Republik als politischer Ausdruck unserer Geschichte und unserer geschichtlichen Verantwortung dieser Verantwortung stellt, und es geht darum, dass sich die Regierung als politischer Mandatsträger dieses Volkes ihrer Ver­antwortung stellt! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Ich habe mir persönlich vor dieser Wortmeldung sehr bewusst verboten, auch nur annäherungs­weise an Polemik heranzukommen, denn das ist kein Thema dafür! Ich klage nicht an, ich mache keine Vorwürfe, ich attackiere auch Sie nicht, Frau Bundesministerin (Zwischenruf des Bu­ndesrates Bieringer), aber ich erwarte eine klare und positive Antwort.

Diese dringliche Anfrage hat einen einzigen Zweck, nämlich Ihnen die Möglichkeit zu geben, vor einer Kammer des österreichischen Parlaments klar zum Ausdruck zu bringen: Ja, wir drücken uns nicht vor dieser Verantwortung, wir sind bereit, einzuspringen und zu helfen!

Ich mache am Schluss meines Debattenbeitrages nichts anderes als auszudrücken, dass ich von Ihnen erwarte, dass Sie dieser Verantwortung gerecht werden! (Beifall bei der SPÖ und den Grünen sowie des Bundesrates Dr. Liechtenstein.)

16.08


Vizepräsident Jürgen Weiss: Zur Beantwortung der an sie gerichteten Anfrage erteile ich Frau Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Elisabeth Gehrer, das Wort. – Bitte.

16.09


Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer: Sehr geehrter Herr Präsident! Hohes Haus! Die Regierung drückt sich vor keiner Verantwortung in keinem Bereich! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Zum grundsätzlichen Verständnis muss ich in der Geschichte etwas weiter zurückgehen: Die Republik hat nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges im Jahre 1960 ein Gesetz beschlossen, nach dem für verlorenes Vermögen von Religionsgemeinschaften jährliche Zahlungen geleistet werden, und zwar als Entschädigungszahlungen.

In diesem Gesetz wurde damals vereinbart, dass eine einmalige Zahlung geleistet wird und da­zu jährliche Zahlungen, die etwa alle sechs Jahre, wenn der Geldwertschwund ein bestimmtes Maß überschritten hat, valorisiert werden, das heißt also, dass dieses Gesetz von 1960 dann novelliert wird.

 


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