Wenn Kollege
Schnider von Erinnerungen, Schmerz und Gedenken gesprochen hat, so ist das eine
Dimension, die wir, die in eine glückliche Phase des Lebens hineingeboren
wurden, fernab von Krieg und Barbarei, letztlich nicht erfassen können, selbst
wenn wir viele Worte bemühen. Aber wir können über die politische Verantwortung
reden, in der die Republik steht, da Österreicher und Österreicherinnen Opfer
und Täter zugleich waren.
Es hat lange
gedauert. Die Frau Bundesministerin hat gesagt, im Jahr 1960 wurde das
Gesetz verabschiedet. Also erst 15 Jahre nach Kriegsende denkt man an die
Entschädigung der Israelitischen Kultusgemeinde! 1958 wurde es aufgenommen;
ich habe das nicht vergessen.
Wenn man –
und das hängt auch mit politischer Verantwortung zusammen, und es geht jetzt
nicht um Schuldzuschiebung in irgendein politisches Lager – die
Ministerratsprotokolle der Nachkriegsjahrzehnte liest, die jetzt
dankenswerterweise wissenschaftlich aufgearbeitet wurden, dann bekommt man so
etwas wie eine Gänsehaut, wenn man sieht, wie auch das offizielle Österreich
bemüht war, die Vertriebenen, Exilierten, Geflüchteten ja nicht zurückzuholen
und ja alles zu verzögern, zu verzögern, zu verzögern, um nur den wenigen
Überlebenden beziehungsweise deren Erben eine Entschädigung zukommen lassen
zu müssen.
In den letzten
Jahren ist viel geschehen. Einer der ersten Schritte war sicherlich die Reise
des früheren Bundeskanzlers Vranitzky nach Jerusalem, die Einrichtung des
Entschädigungsfonds, der Jabloner-Bericht und – in der Verantwortung der
Frau Bundesministerin – die ersten Überprüfungen, was an Kunst- und
Kulturrestitutionen notwendig war.
Herr Kollege
Gudenus! Geld ist ein „Schmiermittel“? – Ich weise diesen Satz zurück,
denn all das, was die Republik durch die Bundesregierung an finanziellen
Mitteln zur Verfügung gestellt hat, ist doch mehr als minimal im
Vergleich zu dem, was geraubt wurde! Wenn ich sage, die Republik steht in einer
Verantwortung, dann müssen wir doch auch, so meine ich, zugeben, dass es vor
allem unsere vielgeliebte Republik ist und war, die zu den Nutznießern der
Arisierung zählte – und das über Jahrzehnte hindurch. Ebenso waren in der
Zweiten Republik Firmen, Einzelpersonen und Einrichtungen Nutznießer von
Arisierungen – und sind es nach wie vor. Letztlich haben in den Fonds, von
dem die Frau Bundesministerin heute schon gesprochen hat, die Republik, Firmen
und auch die katholische Kirche eingezahlt, also all jene, denen man nachweisen
konnte, dass sie Nutznießer dieser Barbarei Arisierung waren.
Dieses Vermögen,
das Menschen entwendet wurde – es war nicht so, dass man das so einfach
nur genommen hat –, war mit Raub, Mord und der Auslöschung von Familien
verbunden.
Wenn wir heute
durch Wien gehen, müssen wir beispielsweise feststellen, dass ein Drittel der
Wiener Apotheken arisiert wurde. Wenn Sie die Geschichte der Wiederzulassung
von Apothekern jüdischen Glaubens, die ihre Apotheken zurück haben wollten,
lesen, wenn Sie lesen, wie das offizielle Österreich das verhindert hat, weil
es gesagt hat: Ihr habt von 1938 bis 1945 eure Apotheke nicht betrieben –
die man ihnen doch weggenommen hat –, und deshalb erlischt eure
Berechtigung, Apotheker zu sein!, so ist das ein Kapitel, das ganz klar zeigt,
dass wir nach wie vor in dieser Verantwortung stehen.
Die Israelitische
Kultusgemeinde ist eine kleine Kultusgemeinde – all das wurde heute
bereits angesprochen –, die man nicht unter dem Aspekt „Gleichbehandlung
anderer Religionsgemeinschaften“ sehen darf, sondern es ist eben eine ganz
bestimmte geschichtliche Situation, in der sich diese immer kleiner werdende
Kultusgemeinde befindet.
Die Israelitische
Kultusgemeinde in Österreich fordert nun 2,7 Millionen € – unter
anderem für die Sicherheit der jüdischen Einrichtungen. Wir alle wissen doch,
dass jüdische Einrichtungen weltweit bedroht sind beziehungsweise dass eben
diese Religionsgemeinschaft auf Grund des Holocaust, einem einzigartigen
Verbrechen der Menschheit, ein anderes Gefühl hat, was die Sicherheit von Leib
und Leben anlangt.
Erinnern wir uns doch beispielsweise nur daran, dass die Schändung jüdischer Friedhöfe von österreichischen Sicherheitskräften nicht verhindert werden konnte. Ich denke da zum Beispiel
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