Bundesrat Stenographisches Protokoll 696. Sitzung / Seite 86

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Dann hat es Gespräche gegeben zwischen den Koalitionsparteien, so sagt man, und dann gab es einen weiteren Entwurf, sozusagen den wirklichen Entwurf. Dieser wirkliche Entwurf ist dann – ich nehme doch an über Antrag des ressortzuständigen Bundesministers – in der Bundesregierung beschlossen worden. Da war von Abfederung und vom Ziehen der Giftzähne und ich weiß nicht wovon alles die Rede, es hat sich nur beim ersten Blick auf die neue Vorlage bereits gezeigt, dass davon naturgemäß keine Rede sein kann.

Es gibt eine lange Liste von bedeutenden politischen Persönlichkeiten der Republik, die sich innerhalb von 48 Stunden lächerlich gemacht haben, in dem sie zunächst einmal voller Be­geisterung diesen neuen Entwurf, der jetzt ganz wunderbar ist und fast nichts mehr mit dem Begutachtungsentwurf zu tun hat, begrüßt haben und dann, als ihnen andere gesagt haben, aber all das stehe nicht darin, was sie behaupten, entdeckt haben, dass weiterer Verhandlungs­bedarf besteht.

Die Paulinische Wandlung, um dem Kollegen von der Theologischen Fakultät eine Freude zu machen, mancher, die jetzt den Parlamentarismus als das wahre Entscheidungszentrum entdeckt haben und meinen, dass sich das Parlament nun nichts dreinreden lassen dürfe, ist wirklich eine eindrucksvolle Regung politischen Opportunitätsgehabens.

Es gibt also einen Entwurf. Er ist kaum besser als das, was als Begutachtungsentwurf be­zeichnet wurde, und dann gibt es die Optimisten – allerdings Optimisten mit begrenztem Horizont –, die sagen, über das könne man heute noch gar nicht reden, weil es wird doch weiter verhandelt, und ein Urteil könne man erst dann fällen, wenn das endgültig beschlossen ist. Ja aber dann, Kolleginnen und Kollegen, ist es leider zu spät. Da kann man reden, so wie man in Österreich Kraftausdrücke gegen das Salzamt schleudert, aber beschlossen ist beschlossen, und das ist nicht das, was wir unter Dialog verstehen.

Der Herr Bundeskanzler – das hat er auch vor dem „Runden Tisch“ mehr oder weniger klar gesagt, ob er es dann dort auch gesagt hat, werden wir bald erfahren – verwechselt Dialog mit Psychotherapie. Dialog heißt, beide Seiten sagen etwas, und am Ende geht man auf die Argumente ein und versucht, eine gemeinsame Lösung zu finden.

Bei der Psychotherapie ist das naturgemäß anders, da ist der eine der Behandelnde, und der andere hat etwas; wollen wir es nicht qualifizieren. (Bundesrat Mag. Gudenus: Man weiß zwar nicht immer, wer der Behandelnde ist!) – Das muss ich namens der Psychotherapeuten heftig zurückweisen. Ich bin mit einer Psychotherapeutin verheiratet und kann es mir nicht erlauben, Ihnen zuzustimmen. Aber es ist klar, dass der Psychotherapeut den anderen zum Reden bringt, damit er durch das Sprechen erkennt, wo er Unrecht hat. (Bundesrat Mag. Gudenus: Logo­therapie!)

Das ist genau der Dialog oder das, was einen Dialog ersetzen soll, den wir nicht zu führen bereit sind. Wenn der Bundeskanzler sagt, reden könnt ihr über alles, aber am 4. Juni wird das beschlossen, was ich sage ... (Bundesrat Dr. Kühnel: Sind Sie zu behandeln oder wie ist das bei Ihnen?) – Nein, Herr Kollege, ich gebe freimütig zu, dass ich viele neue Einsichten aus dieser Partnerschaft gewonnen habe, die ich manchem Kollegen sehr vergönnen würde. (Beifall bei der SPÖ.)

Glauben Sie mir, Therapie für aufmüpfige Gewerkschafter, unzufriedene Arbeiter und Ange­stellte ist nicht das, was die Republik beim Herrn Bundeskanzler bestellt und beauftragt hat. Dialog ist es! (Beifall bei der SPÖ.)

Das ist auch eine Frage des Demokratieverständnisses. Sie sagen uns mit Recht, wir haben lange regiert, und wenn man ehrlich ist – ich bemühe mich das zu sein –, dann muss man sagen, nicht jeder Beschluss, den wir initiiert oder gefasst haben, war der Weisheit letzter Schluss. Aber auch eine allein regierende Sozialdemokratie hat mit Ihnen, etwa mit Ihren Bauernvertretern, etwa mit Ihren Justizvertretern nächtelang diskutiert. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sie versuchten, die ÖVP zu spalten! Das war das Ziel! – Bundesrätin Bachner: Kann man das?) – Herr Kollege, quer oder hoch?

 


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