Bundesrat Stenographisches Protokoll 697. Sitzung / Seite 88

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Zum Demonstrationsrecht generell möchte ich sagen: Es ist ja wohl klar, dass das Demonstrationsrecht niemand infrage stellt, dass das Demonstrationsrecht ein fester Bestandteil jeder parlamentarischen Demokratie ist. Das ist ja überhaupt keine Frage. (Bundesrat Manfred Gruber: Warum tun Sie es dann?)

Die politische Frage, die sich stellt – das Warum kommt schon, bitte nur zuhören! –, ist: Zu welchem Zweck nutzt man das Demonstrationsrecht? Was sind die Inhalte der De­monstration? Was glaubt man, den Leuten hier zu vermitteln? Mein Eindruck ist eben, dass man den Menschen mit den Demonstrationen die Problemverweigerung ver­mittelt, denn ich habe nie erlebt, dass da etwa gesagt wurde: Wir haben dieselbe Problemerkenntnis, die Regierung schlägt A vor, wir haben den besseren Vorschlag B und den tragen wir jetzt bei Wind und Wetter, bei Hagel und Regen gemeinsam mit 200 000 Leuten auf den Heldenplatz!, sondern es sind immer nur Transparente, immer nur Inhalte gekommen, die da lauteten: Wir lassen uns nichts wegnehmen! Pensions­raub! Kürzungen! Skandal! Das geht gegen alle, und jetzt verteidigen wir unsere wohl erworbenen Rechte.

Sie vermitteln den Menschen den Eindruck, als könnte man, wenn man auf die Straße geht, verhindern, dass es weniger Geld gibt; Geld, das von uns allen erwirtschaftet wird und dann in der Demokratie von uns allen wieder verteilt wird. Sie vermitteln den Ein­druck, als gäbe es die Möglichkeit, dieses Geld, das wir alle gemeinsam erwirtschaftet haben und dann gemeinsam zur Verteilung bringen, durch die Demonstration auf der Straße zu vermehren, und dass das dazu führen könnte, dass die Welt deswegen besser wird und dass damit sozusagen die Problemlage besser wird. Daher ist die Kritik, dass das Demonstrationsrecht nach Meinung anderer falsch eingesetzt wurde, erfolgt: weil das, was wir erwirtschaften und danach zur Verteilung bringen, aus dem Fleiß der Leute entsteht, aus der Innovation, aus der Kreativität, aus der Leistung des Einzelnen – und nicht erdemonstriert werden kann.

Wissen Sie, ich gehe immer davon aus, dass alle Fraktionen darin übereinstimmen, dass wir darum kämpfen, was die bessere Politik für jene Fragestellungen ist, die unsere Bürger bewegen. Und in diesem Zusammenhang hat eben jede einzelne Partei einen unterschiedlichen Zugang zur Sozialpolitik, es gibt aber keine Partei, die meint, dass Sozialpolitik nicht wichtig sei. Wir streiten nur heftig über unsere unterschied­lichen Meinungen. Was aber den Kurs betrifft, wie man sich selbst definiert, so darf man da durchaus heikel sein, insbesondere aus der Sicht der Christdemokratie.

Wenn man dann Positionierungen umgehängt bekommt wie etwa: neoliberaler Weg, also ich weiß nicht, was Kollegin Hlavac, die das gebracht hat, überhaupt über Neo­liberalismus weiß, jemals gelesen, jemals gesehen hat. (Bundesrat Todt: Was ist das sonst?) Das, was hier stattfindet, hat auf jeden Fall mit Neoliberalismus rein gar nichts zu tun! Bitte, erklären Sie mir, was daran neoliberal ist, wenn das, was wir heute wissen, nämlich dass wir länger arbeiten müssen, weil wir immer länger leben, weil wir bis jetzt immer kürzer gearbeitet haben, weil immer weniger Kinder zur Welt kommen – und ich glaube, all diese Verhältniszahlen, die hier immer wieder genannt worden sind, sollten jetzt wirklich bekannt sein –, einfach zu diesem faktischen Thema führt.

Interessant gefunden habe ich die Ausführungen der Kollegin von den Grünen, die gemeint hat, sie sei für die Jungen und für die Alten und für den Respekt vor dem Alter und sie sei dagegen, dass die Jungen mehr einzahlen müssen und dann weniger be­kommen. – Das ist ja alles pipifein; die Frage ist nur: Wer zahlt das alles? Das ist das, worüber wir diskutieren. Wenn sich die Opposition in diesem Zusammenhang darauf beschränkt, zu sagen, was sie gerne hätte, was ein jeder bekommen könnte, und es der Regierung überlässt, dafür die Lösungen auf den Tisch zu legen, dann ist das zwar aus der Sicht der Opposition eine legitime Sache, aber auf Grund des Inhalts darf man dann von Seiten der Regierungsparteien schon das wahre Faktum geradezu gebets-


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