Bundesrat Stenographisches Protokoll 697. Sitzung / Seite 166

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gesetzt, auch im Bereich der Vorsorgeuntersuchungen; eben auf Grund dieser einheit­lichen Kostenbeitragsrückgänge.

Gerade der Vorsorgebereich sollte doch verstärkt ausgebaut – und nicht abgebaut wer­den! Dazu ein Beispiel: Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt beweist seit Jahr­zehnten, dass durchgängige Unfallheilbehandlungen und Primärprävention am Arbeits­platz die Kosten minimieren und die Invalidität senken hilft, also die Effektivität durch Qualität gesteigert wird – und nicht umgekehrt!

Die Verantwortung der Festsetzung der Höhe der Selbstbehalte tragen weiterhin die Krankenversicherungsträger. Das heißt, es gibt seitens der Regierung keine einheit­liche bundesweite Regelung, was sehr zu kritisieren ist.

Die Verlagerung von Kosten im Bereich des Gesundheitswesens auf private Haushalte kann man auch als versteckte oder ungerechte Privatisierung bezeichnen. Dazu zählt etwa auch der Anstieg privater Zusatzversicherungen bei gleichzeitiger Leistungs­reduktion der öffentlichen Versicherungen, aber auch Direktzahlungen wie Selbstbe­halte, Zusatzzahlungen zu Medikamenten, Ambulanz- oder auch Arztgebühren.

Wer dies vehement verneint, sollte sich bitte die internationalen Statistiken und Bei­spiele zu Gemüte führen und ein wenig über den österreichischen Tellerrand blicken. Die Fakten, meine Damen und Herren, schauen bei Ländern, die bereits in den siebzi­ger Jahren diese Richtung eingeschlagen haben, folgendermaßen aus – Großbritan­nien ist das hervorstechendste Beispiel für die Privatisierung der Gesundheitskosten –: Zwischen 1970 und dem Jahre 2000 ist das Ausmaß der privaten Versicherungen um das Vierzigfache – ich wiederhole: um das Vierzigfache! – gestiegen. Die privaten großen Versicherungskonzerne sind dabei die großen Gewinner.

Steuerliche Anreize und sinkendes Vertrauen der Menschen in die staatlichen Gesund­heitssysteme, eben wegen der geradezu zermürbenden Diskussionen um das Finan­zierungsproblem, lassen die private Versicherungsbranche boomen. In Bezug auf die Zusatzversicherungen in Großbritannien ist interessant, meine Damen und Herren, dass 25 Prozent der hoch qualifizierten Beschäftigten eine solche Versicherung haben, jedoch nur 3 Prozent der Facharbeiterinnen und Facharbeiter – und schließlich nur 1 Prozent der ungelernten Arbeitskräfte. Zu Recht wird daher die Entstehung einer Zwei-Klassen-Medizin befürchtet. Man muss es sich dann auch leisten können, krank zu sein, meine Damen und Herren!

Die Herausforderung, nicht nur für Österreich, sondern für den gesamten europäischen Raum, besteht heute darin, dass Gesundheitsleistungen allen Menschen zugänglich bleiben, und zwar unabhängig von ihren finanziellen Möglichkeiten, von ihrem Alter, ihrem Geschlecht oder ihrem Gesundheitszustand.

Heute, meine sehr verehrten Damen und Herren, tragen wir die Mitverantwortung dafür, ob sich alle Österreicherinnen und Österreicher auch in Zukunft dieses Gesund­heitssystem leisten können. – Wie wir dieses System umbauen, das ist also die Frage.

Abschließend zu meinem Kollegen von der ÖVP, der an die Vernunft in unseren Reihen, in den Reihen der sozialdemokratischen Fraktion appelliert hat. Ich gebe Ihnen da absolut Recht: Die Vernunft sollte walten! Seien Sie von der ÖVP daher vernünftig, und stimmen Sie – so wie auch viele Kollegen der Freiheitlichen Partei – gegen dieses Budgetbegleitgesetz. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

20.17

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet hat sich Frau Bun­desrätin Ebner. – Bitte.

 


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