liest, dass Unzufriedenheit mit dem Begutachtungsverfahren herrscht, weil die Umstände einen großen Zeitdruck erzeugt haben und es den Ländern wie auch anderen begutachtenden Stellen schwer möglich war, wirklich fundiert dazu Stellung zu nehmen. Das ist der Befund auf den ersten Blick.
Wenn man aber sieht, in welcher Weise die Regierungsvorlage verändert wurde, nicht zuletzt auch unter dem politischen Druck guter Argumente der Länder, dann relativiert sich die Kritik im Begutachtungsverfahren ganz erheblich, und sie würde angesichts des Gesetzesbeschlusses des Nationalrates sicherlich nicht mehr in dieser Weise erfolgen, weil sich eben vieles auch von dem durchgesetzt hat, was die Länder als Probleme artikuliert haben. Sie haben gefürchtet, dass die Abfederung nicht mehr im System selbst erfolgen, sondern zulasten der Sozialhilfe gehen wird, ganz abgesehen von anderen Bedenken. – Ich kann daher diesen Einspruchsgrund nicht teilen.
Ein dritter Punkt ist, dass es sich um ein Gesetzespaket handle, das wegen seines Umfangs verfassungsrechtliche Bedenken dadurch auslöse, weil der Gesetzesbeschluss gegen das freie Mandat verstoße. Den Bundesräten werde sozusagen die Freiheit genommen, zu den einzelnen Punkten des Gesetzesbeschlusses mit ihrem Abstimmungsverhalten Stellung zu nehmen.
Diese Kritik hat durchaus Berechtigung, wobei sie sich in gewisser Weise an sich selbst richtet, denn wer hat denn diese Technik der Budgetbegleitgesetze erfunden? – Es waren anfangs der neunziger Jahre sozialdemokratische Bundeskanzler, Finanzminister und Nationalratspräsidenten. Damals war aus dem Munde der sozialdemokratischen Fraktion ganz anderes zu hören als heute, bedenkenlos hat man damals zugestimmt. Ich gebe zu, dass man sich natürlich angesichts des größeren Umfanges auch eines anderen besinnen kann. Ich begrüße das durchaus, dass man diese Diskussion führt, weil Sammelgesetze ohne Frage eine Ausnahmesituation sein müssen.
Wenn wir uns vor Augen führen, dass der Bundesrat im Schnitt im Jahr etwa 100 bis 150 Gesetzesbeschlüsse zu behandeln hat und wir auf einen Satz 90 in ein Gesetz verpacken, dann sieht man schon, welche Qualität das hat und wie sehr damit die Einflussnahme der Länder auf einzelne Bundesgesetze eingeschränkt wird. Strittige Sachverhalte werden durch die Einbindung in das Paket immunisiert, und das ist ohne Frage auch für uns selbst ein Problem.
Ich komme allerdings zu einer anderen Schlussfolgerung aus diesem Problem, als Einspruch zu erheben. Sachgerecht wäre wohl etwa, das Bundes-Verfassungsgesetz in der Weise zu ändern, dass der Bundesrat nicht nur gegen den Gesetzesbeschluss als solchen, sondern, wenn er aus mehreren Gesetzesteilen besteht, auch gegen einzelne Teilgesetze Einspruch erheben können sollte, das heißt also, dass für den Bundesrat dieses Paket wieder aufgelöst wird. Das wäre für die Zukunft ein interessanter Ansatz, über den man diskutieren sollte, allenfalls auch in Form eines Gesetzesantrages (Beifall bei der ÖVP), aber auf Grund dieses evidenten Problems einen Einspruch fassen zu wollen scheint mir doch völlig unangemessen zu sein.
Dazu kommt noch, dass ich die
verfassungsrechtlichen Bedenken im Zusammenhang mit dem freien Mandat überhaupt
nicht teilen kann. Im Einspruchsantrag heißt es, dass das freie Mandat auch
die Freiheit der Bundesräte beinhaltet, ihr Abstimmungsverhalten völlig
unabhängig und frei von Anordnungen auszuüben. Nach dem klaren Wortlaut der
Bundesverfassung beinhaltet die Immunität nichts anderes als das – ich
zitiere –: „Die Mitglieder des Nationalrates
und die Mitglieder des Bundesrates sind bei der Ausübung ihres Berufes an
keinen Auftrag gebunden.“
Das ist
die Verfassungsdefinition des freien Mandates. Das, was Sie jetzt versuchen,
ist, etwas anderes hineinzuinterpretieren, das nicht enthalten ist und dem wir
nicht folgen können.
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