Bundesrat Stenographisches Protokoll 697. Sitzung / Seite 174

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liest, dass Unzufriedenheit mit dem Begutachtungsverfahren herrscht, weil die Um­stände einen großen Zeitdruck erzeugt haben und es den Ländern wie auch anderen begutachtenden Stellen schwer möglich war, wirklich fundiert dazu Stellung zu neh­men. Das ist der Befund auf den ersten Blick.

Wenn man aber sieht, in welcher Weise die Regierungsvorlage verändert wurde, nicht zuletzt auch unter dem politischen Druck guter Argumente der Länder, dann relativiert sich die Kritik im Begutachtungsverfahren ganz erheblich, und sie würde angesichts des Gesetzesbeschlusses des Nationalrates sicherlich nicht mehr in dieser Weise erfolgen, weil sich eben vieles auch von dem durchgesetzt hat, was die Länder als Probleme artikuliert haben. Sie haben gefürchtet, dass die Abfederung nicht mehr im System selbst erfolgen, sondern zulasten der Sozialhilfe gehen wird, ganz abgesehen von anderen Bedenken. – Ich kann daher diesen Einspruchsgrund nicht teilen.

Ein dritter Punkt ist, dass es sich um ein Gesetzespaket handle, das wegen seines Umfangs verfassungsrechtliche Bedenken dadurch auslöse, weil der Gesetzesbe­schluss gegen das freie Mandat verstoße. Den Bundesräten werde sozusagen die Freiheit genommen, zu den einzelnen Punkten des Gesetzesbeschlusses mit ihrem Abstimmungsverhalten Stellung zu nehmen.

Diese Kritik hat durchaus Berechtigung, wobei sie sich in gewisser Weise an sich selbst richtet, denn wer hat denn diese Technik der Budgetbegleitgesetze erfunden? – Es waren anfangs der neunziger Jahre sozialdemokratische Bundeskanzler, Finanz­minister und Nationalratspräsidenten. Damals war aus dem Munde der sozialdemokra­tischen Fraktion ganz anderes zu hören als heute, bedenkenlos hat man damals zuge­stimmt. Ich gebe zu, dass man sich natürlich angesichts des größeren Umfanges auch eines anderen besinnen kann. Ich begrüße das durchaus, dass man diese Diskussion führt, weil Sammelgesetze ohne Frage eine Ausnahmesituation sein müssen.

Wenn wir uns vor Augen führen, dass der Bundesrat im Schnitt im Jahr etwa 100 bis 150 Gesetzesbeschlüsse zu behandeln hat und wir auf einen Satz 90 in ein Gesetz verpacken, dann sieht man schon, welche Qualität das hat und wie sehr damit die Ein­flussnahme der Länder auf einzelne Bundesgesetze eingeschränkt wird. Strittige Sach­verhalte werden durch die Einbindung in das Paket immunisiert, und das ist ohne Frage auch für uns selbst ein Problem.

Ich komme allerdings zu einer anderen Schlussfolgerung aus diesem Problem, als Ein­spruch zu erheben. Sachgerecht wäre wohl etwa, das Bundes-Verfassungsgesetz in der Weise zu ändern, dass der Bundesrat nicht nur gegen den Gesetzesbeschluss als solchen, sondern, wenn er aus mehreren Gesetzesteilen besteht, auch gegen einzelne Teilgesetze Einspruch erheben können sollte, das heißt also, dass für den Bundesrat dieses Paket wieder aufgelöst wird. Das wäre für die Zukunft ein interessanter Ansatz, über den man diskutieren sollte, allenfalls auch in Form eines Gesetzesantrages (Bei­fall bei der ÖVP), aber auf Grund dieses evidenten Problems einen Einspruch fassen zu wollen scheint mir doch völlig unangemessen zu sein.

Dazu kommt noch, dass ich die verfassungsrechtlichen Bedenken im Zusammenhang mit dem freien Mandat überhaupt nicht teilen kann. Im Einspruchsantrag heißt es, dass das freie Mandat auch die Freiheit der Bundesräte beinhaltet, ihr Abstimmungsverhal­ten völlig unabhängig und frei von Anordnungen auszuüben. Nach dem klaren Wortlaut der Bundesverfassung beinhaltet die Immunität nichts anderes als das – ich zitiere –: „Die Mitglieder des Nationalrates und die Mitglieder des Bundesrates sind bei der Aus­übung ihres Berufes an keinen Auftrag gebunden.“

Das ist die Verfassungsdefinition des freien Mandates. Das, was Sie jetzt versuchen, ist, etwas anderes hineinzuinterpretieren, das nicht enthalten ist und dem wir nicht folgen können.

 


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