BundesratStenographisches Protokoll700. Sitzung / Seite 145

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politischen Informationen den Staat den einzelnen Einwohnern nahe zu bringen, auf ihre Sorgen einzugehen und ihnen zu helfen.

Der Bundesrat als Ländervertretung in der Bundesgesetzgebung zählt neben der Kom­petenzverteilung und dem Finanzausgleich zu den wichtigsten Bestimmungen eines Bundesstaates überhaupt. Dies zeigt auch der Vergleich der Verfassungen verschie­dener föderal aufgebauter Staaten.

Da die Länderrepräsentanz nach dem Parteienproporz im Landtag erfolgt, kann wäh­rend der jeweiligen Legislaturperiode des Nationalrates und der Funktionsperiode der Bundesregierung das jeweilige politische Wollen der Bevölkerung und damit auch die Stärke der politischen Parteien in den Landtagen in der Bundesgesetzgebung zum Tragen kommen. Auf diese Weise vermag der Bundesrat und damit der Föderalismus zur Gewaltenteilung sowie zur Kontrolle im Staat beizutragen.

In welcher Weise der Bundesrat dieser seiner Funktion nachkommt, hängt von seinen Kompetenzen und den Möglichkeiten sowie Umständen ab, diese auszuüben. Neben der Mitwirkung an der Gesetzgebung gibt es auch für zweite Kammern Möglichkeiten der politischen Kontrolle.

Viel zu wenigen ist bewusst, dass der Bundesrat beachtenswerte Zuständigkeiten in der Gesetzgebung sowie in der politischen und rechtlichen Kontrolle schon hat. Ich ver­weise auf das absolute Veto, also auf das Zustimmungsrecht bei Kompetenz­änderun­gen zu Lasten der Länder in Verfassungsgesetzen und Staatsverträgen, weiters auf seine politischen und rechtlichen Kontrollmittel wie das Interpellations-, Resolutions-, Zitations-, Petitions- und Enqueterecht sowie auf das Recht zur Gesetzesanfechtung beim Verfassungsgerichtshof wegen des Verdachtes auf Verfassungswidrigkeit.

Es ist sehr bedauerlich, dass der Bundesrat an der Ausübung seiner Rechte durch Koalitionsabkommen behindert wird – auch jetzt.

Viele seiner Kritiker übersehen dabei, dass schon jetzt Landeshauptleute, die im Bun­desrat zum Unterschied vom Nationalrat ein Teilnahme- und Rederecht haben, dieses jederzeit ausüben und auch Mitglieder des Bundesrates werden können. Auch viele Bürgermeister und andere Repräsentanten von Städten und Gemeinden gehören dem Bundesrat schon an. Es haben bereits heute diese Repräsentanten der Länder und Gemeinden die Möglichkeit, dem Bundesrat ein Stimmverhalten zu empfehlen – leider erfolgt dies nur ganz selten und wenn, nicht einhellig.

Ich betone dies und könnte noch Weiteres hinzufügen, weil ich meine, dass bei aller Diskussion um den Bundesrat seine schon bestehenden Möglichkeiten nicht überse­hen werden sollten. Es ist auch sehr bedauerlich, dass viele, die den Bundesrat kritisie­ren, dies in Unkenntnis dessen tun und ihn an der Ausübung seiner Rechte behindern. Es bedarf daher keiner Aufwertung des Bundesrates, sondern vor allem einer Beseiti­gung seiner Behinderungen. (Allgemeiner Beifall.)

Das heißt aber nicht, dass nicht weitere Verbesserungen der Stellung des Bundesrates als Ländervertretung im österreichischen Parlamentarismus denkbar wären. Wir sollten gemeinsam darüber nachdenken, wie wir die Länder am besten vertreten können.

Wenn wir mit dieser Sitzung des Bundesrates in unsere politische Verantwortung des zweiten Halbjahres 2003 eintreten, stehen uns sicher wichtige politische Aufgaben für die Bürgerinnen und Bürger unserer Heimat bevor. Die Erfüllung dieser politischen Aufgabe ist sicher – wie in jeder lebendigen Demokratie – auch mit Auseinander­set­zungen verbunden. Solche Auseinandersetzungen gehören zur Dynamik der Politik in jeder pluralistischen Demokratie.

 


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