Wenn sich auch vieles geändert hat durch eine hervorragende Gestaltung des jetzigen Zusammenlebens im Alpengebiet, eine neue europäische Politik, ein engeres Zusammenwachsen und eine höhere Bedeutung der Regionen in diesem zusammenwachsenden Europa, so darf ich doch immer wieder daran erinnern, dass Unrecht Unrecht bleiben wird, auch wenn es lange zurückliegt. Das gilt nicht nur für einzelne Völker und Volksgruppen in der Welt, sondern das muss auch für Österreich und für Tirol gelten. (Allgemeiner Beifall.)
Tirol war ein bedeutendes Kronland in der Monarchie. Habsburg hat diese Position immer in besonderer Weise gewürdigt. Maximilian hat in Innsbruck residiert und von dort aus das Reich regiert. Tirol war immer ein armes Land. Die Demokratie, die dort schon vor Jahrhunderten herrschte, war nicht eine Demokratie auf Grund der Einsicht in die Menschenwürde, dass die Bauern die gleichen Rechte haben sollten wie die anderen, sondern sie war geboren aus der Notwendigkeit heraus, dass man den Bergbauern in den höchstgelegenen Gebieten nicht noch einen Zehent oder Abgaben abverlangen konnte, weil der Boden in diesem steinigen Gebiet nicht mehr hergegeben hat. Deshalb haben sie Freiheiten gehabt und waren nur in geringer Zahl im Tiroler Landtag vertreten, aber immerhin war Tirol mit Vorarlberg die älteste Festland-Demokratie.
Tirol hat sich auch immer zu Österreich bekannt. Es war ein herausragendes Kronland. Bei der Gründung der Republik hat Tirol Österreich immer in besonderer Weise die Treue gehalten. Es gibt genügend Belege dafür, dass gerade Tirol die Verbundenheit mit Österreich immer deutlich unterstrichen hat, und auch während meiner Tätigkeit als Tiroler Landeshauptmann wird sich daran nichts ändern.
Österreich ist ein kooperativer Bundesstaat, und kooperativ bedeutet vielerlei. Wir wissen, dass der Föderalismus darin einen besonderen Stellenwert einnimmt. Wir wissen, dass der Föderalismus eine besondere Form der Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips ist. Wir wissen auch, dass Föderalismus gelebt werden muss und dass Subsidiarität nicht bei den Ländern aufhört, sondern bis zu den Gemeinden reichen muss.
Subsidiarität wurde in den Verträgen von Maastricht und Amsterdam in der Europäischen Union festgeschrieben. Es gab nur offensichtlich ein eklatantes Missverständnis: Manche haben damals mit Subsidiarität die Wiedergewinnung nationaler Rechte und das Auftreten von großen, sehr stark nationalistisch geprägten Institutionen und Staaten in Europa gemeint, aber nicht die Regionalisierung und Föderalisierung Europas. Wir erleben diese Debatte heute sehr deutlich in Frankreich, wir erleben sie auch in Spanien. Die Autonomien, die England Schottland oder Nordirland gegeben hat, waren nicht Ausdruck einer besonderen Pflege des Subsidiaritätsprinzips, sondern die Einsicht in die Notwendigkeit, sezessionistische Bewegungen hintanzuhalten. Das sind unterschiedliche Zugänge. Ich hoffe aber, dass letztlich auch gerade Österreich ein besonderes Beispiel für eine europäische Entwicklung sein kann und muss.
Der österreichische Föderalismus kann tatsächlich Vorbild für Europa sein. Wir reden immer von der Bürgernähe und sagen, Subsidiarität ist der Garant für diese Bürgernähe und je näher eine Institution am Bürger ist – seien es die Gemeinden, die Städte oder die Länder –, umso besser wird die europäische Einigung funktionieren.
Die Realität sieht etwas anders aus. So haben die österreichischen Bundesländer natürlich kein Klagerecht im Europäischen Gerichtshof. Wir werden deshalb im Einklang mit dem Konvent, den Giscard D’Estaing präsidiert hat, dafür sorgen müssen, dass wir einen Zugang zu diesen Klagemöglichkeiten durch die österreichischen Bundesländer finden. Das könnte zum Beispiel der österreichische Bundesrat sein (allgemeiner Beifall): Im österreichischen Bundesrat könnte unter bestimmten Voraussetzungen ein
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