Bundesrat Stenographisches Protokoll 701. Sitzung / Seite 68

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Wir haben in Österreich eine sehr hohe Rechtskultur, wie ich meine. Im Rahmen dieser Rechtskultur haben sich die Positionen von Rechtsanwälten, Notaren, Richtern und Staatsanwälten ganz genau herauskristallisiert und sind diese Positionen auch klar definiert. Die Position des Rechtsanwaltes und die des Notars ist dabei stets die der absoluten Vertrauensperson des Mandanten. Es ist hier in diesem Haus hoffentlich unbestritten, dass jedem Menschen ein Verteidiger freier Wahl – es liegt die Betonung auf: „freier Wahl“ – zusteht. Seit Entwicklung der DNA-Analyse wissen wir für jeder­mann sichtbar, dass es weltweit doch eine nicht unerhebliche Zahl von Fehlurteilen immer gegeben hat und auch immer geben wird. Umso wichtiger ist dieses Recht auf einen frei gewählten Verteidiger. Dieser Verteidiger muss das volle Vertrauen seines Mandanten genießen, und der Mandant muss sich voll auf den Verteidiger verlassen können!

Unbestritten ist auch, dass dieses Recht auf einen Verteidiger mit dem Recht auf abso­lute Verschwiegenheitspflicht einherzugehen hat. Nun aber soll diese absolute Vertrau­ensperson für den Klienten – und darin sehe ich den diametralen Gegensatz zur bis­herigen Auffassung über die Tätigkeit des Anwaltes, gleichgültig, ob im Strafrecht oder im Zivilrecht –, nun soll diese absolute Vertrauensperson für den Klienten, und zwar nicht nur als Verteidiger, sondern auch im Bereich des Zivilrechtes, etwa des Vertrags­rechtes, zum potenziellen Anzeiger, sprich Vernaderer, beim Bundeskriminalamt wer­den. Wie soll das gehen? – Das passt nicht zum österreichischen Selbstverständnis von Anwalt und Notar als absolut der Verschwiegenheit unterliegende Vertrauensper­son!

Auf weitere Probleme bei der künftigen Anwendung dieses Gesetzes bin ich bereits eingangs kurz eingegangen. Was ist jetzt wirklich der Fall? Wann soll ich vermuten, dass hier falsches oder – sagen wir – Drogengeld et cetera unterwegs ist?

Ich glaube, man muss gar nicht näher darauf eingehen, sondern man kann sich aufs Grundsätzliche beschränken. Was geschieht mit dem Anwalt oder Notar, dessen begründeter Verdacht, wie ich eingangs erwähnt habe, sich als falsch herausgestellt hat? – Der im Gesetz normierte Schutz wird vielleicht greifen. Ich vermute mit meinem Fraktionsvorsitzenden Professor Böhm eher, dass es sich dabei allenfalls doch um eine Bestimmung handelt, die erfolgreich beim VfGH angefochten werden könnte. Anwalt und Notar sollten nicht zu Hilfssheriffs umfunktioniert werden; und das ist es im Endeffekt! Das mag zwar in anderen Ländern und Kontinenten passen, nicht aber bei uns.

Damit komme ich zum wesentlichen Kern meines Anliegens, nämlich aufzuzeigen, dass Anlassgesetzgebung niemals gut ist – und hier handelt es sich um Anlassgesetz­gebung: Der wahre Anlass liegt nicht in Österreich, der wahre Anlass liegt nicht in Europa, sondern er liegt schlicht und einfach im 11. September 2001 und dem in der Folge von den Amerikanern gegenüber der EU gemachten Druck. Wie man hört, haben die Amerikaner eine Reihe einstmals hoch gefeierter Bürgerrechte längst zu­gunsten einer effizienten – unter Anführungszeichen – „Terrorbekämpfung“ wieder auf­gegeben. George Orwell lässt bestens grüßen, meine Damen und Herren!

Dass wir Europäer – oder besser gesagt: Brüssel – bei solchen Bocksprüngen nicht mittun sollten, liegt auf der Hand. Die EU hat es dennoch getan; für mich völlig unver­ständlich, aber sie hat es im Wege einer Richtlinie getan, sodass weder dem Herrn Bundesminister für Justiz noch seinen Beamten irgendein Vorwurf wegen der Vollzie­hung dieser nun einmal vorgegebenen Richtlinie gemacht werden kann.

Wir müssen – in diesem Punkt sage ich leider: müssen, in den anderen tue ich es gerne – daher allen Gesetzesvorlagen zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen sowie des Bundesrates Boden.)

 


12.42

 


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