Bundesrat Stenographisches Protokoll 702. Sitzung / Seite 28

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die Regierungsfraktionen schlicht und einfach ausweislich des Protokolls nicht applau­diert. Das habe ich gemeint. Was Sie sonst mit dem Finger gemacht haben, weiß ich nicht. (Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Ein Neubeginn ist das nur in einer Hinsicht: Der Herr Vize­kanzler bietet offenbar die Gewähr, dass unbotmäßige Bemerkungen, zumindest in der Öffentlichkeit, zu der in begrenztem Umfang auch der Bundesrat gehört, in Zukunft unterbleiben werden.

Ich habe auch mit Interesse erfahren, dass Sie Mitglied einer „bürgerlichen Regierung“ sind, Herr Vizekanzler. Die vielen – nicht mein Ausdruck – „kleinen Leute“, die Ihre Partei gewählt haben, werden es mit Interesse bemerken, was jetzt auf dem Etikett steht. Sie haben es bis zu einem gewissen Grad schon gemerkt, dass Sie zu einer höchst bürgerlichen, reaktionären Regierung gehören, dass das soziale Element unter die Räder gekommen ist. Und Sie betonen das halt jetzt und exekutieren es auch. Meine Damen und Herren, daran üben wir Kritik, aber das Urteil darüber steht natürlich nicht uns zu, sondern dem Wähler. Das muss man wohl an dieser Stelle sagen: Die ab heute nicht unwesentlich geänderte Zusammensetzung des Bundesrates scheint mir doch ein gewisses Indiz dafür zu sein, dass es der Wähler zwar in noch nicht ganz ausreichendem, aber wachsendem Umfang tatsächlich gemerkt hat. (Beifall bei der SPÖ und den Grünen.)

Es war eine bemerkenswerte Auswahl von Themata, die uns heute vorgelegt wurde. Ich möchte eines herausgreifen, weil es mir auch zunächst einmal wichtig erscheint, hier Standpunkte außer Streit zu stellen. Es ist keine Frage, dass Österreich die Hal­tung der Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten und der Mehrheit des Europäischen Par­la­ments nicht akzeptieren kann und dass im Rahmen der rechtlichen – nicht berau­schen­den – und faktischen – Hirnschmalz ist gefragt – Möglichkeiten, die uns zur Verfügung stehen, eine Art transitpolitische Selbstverteidigung angemessen ist.

Ich glaube nicht, Herr Vizekanzler, dass jene larmoyante Haltung, die Sie in Ihren Be­merkungen zum Transitvertrag beziehungsweise zu dessen Auslaufen hier vertreten haben, eine besonders ermutigende ist, dass ein nationaler Schulterschluss Bestand haben wird. Wenn Sie glauben, dass es vor zehn oder zwölf Jahren leichter war, mit der EU zu verhandeln, als jetzt, dann täuschen Sie sich. Jetzt so zu tun, als hätten Sie das vor zehn Jahren wunderbar anders gemacht, Herr Vizekanzler, zeugt zwar von Selbstvertrauen, was auch keine schlechte Eigenschaft ist, aber auch von einem hohen Maß an Selbstüberschätzung, was nicht so positiv ist.

Wahr ist, dass auch die letzten vier Jahre nicht wirklich in glanzvoller Art und Weise genützt worden sind, aber ich habe nicht die Absicht, darauf herumzureiten. Wir haben bei den damaligen Akteuren an den konkreten Punkten, wo es notwendig war, unsere Kritik angebracht. Im Augenblick hilft es uns nicht sehr viel, auch Ihre Feststellung nicht, sondern wir haben in einem sehr eingeschränkten Handlungsspektrum ein Maxi­mum in einem doch gemeinsamen Interesse zu vertreten, und ich gehe davon aus, dass es dem Bundesrat auch möglich sein wird, das gemeinsam politisch zum Aus­druck zu bringen, wie immer die Technikalitäten der Formulierung ausschauen, weil hier ein tatsächliches Lebensinteresse nicht nur schmaler Korridore, sondern großer Teile der Republik betroffen ist.

Ich bin Wiener und nicht legitimiert, als Sprecher der Tiroler oder Vorarlberger oder Salzburger aufzutreten, aber ich fühle mich im höchsten Maße legitimiert – einfach um diesen Standpunkt zu unterstreichen, und nicht um eine „Leidenskonkurrenz“ zwischen den Teilen Österreichs aufzubauen –, darauf hinzuweisen, dass die Explosion des LKW-Verkehrs in der Ostregion Dimensionen angenommen hat und eine Betroffenheit bei der Bevölkerung ausgelöst hat, die durchaus jene in den traditionellen Transit­gebie-


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