Bundesrat Stenographisches Protokoll 702. Sitzung / Seite 30

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Meine Damen und Herren! Wir haben eine Unsicherheit im rechtlichen Bereich wie selten zuvor. Der Verfassungsgerichtshof, der ja nicht gerade als linksradikale Stoß­truppe zu diffamieren ist, hat in Einhaltung seiner langjährigen Spruchpraxis zentrale Elemente Ihres so genannten Reformprogramms laufend aufgehoben. Und das geht vermutlich so weiter. Man kann das jetzt dahin gehend verharmlosen – manche Me­dien haben das getan –, dass es „handwerklich schlecht gearbeitet“ ist. – Nein, es ist nicht handwerklich schlecht gearbeitet, sondern es widerspricht eben zentralen Elementen unseres staatlichen Konsenses, der sich nicht überraschend auch in der Bundesverfassung wieder findet, und die Bundesverfassung ist es, die der Verfas­sungsgerichtshof zu wahren hat.

Stimmt Sie das nicht nachdenklich, dass Sie eine um die andere Maßnahme, die Sie mit großem Pomp beschließen, wieder zurücknehmen müssen, nach Auswegen su­chen müssen? – Offensichtlich nicht.

Da gibt es eine Wirtschaftsentwicklung, die natürlich von den Rahmenbedingungen ei­ner internationalen Stagnation geprägt ist. (Ruf bei der ÖVP: Ewiger Leierkasten!) – Herr Kollege, ich lade Sie ein, den Saal zu verlassen, wenn ich Sie langweile. Ich ent­schuldige mich dafür, dass ich Ihren intellektuellen Ansprüchen nicht gerecht werden kann. (Beifall bei der SPÖ.)

Da haben wir also eine Wirtschaftsentwicklung, die zugegebenermaßen von einer inter­nationalen Stagnation geprägt ist, die Österreich eine Arbeitslosigkeit beschert, wie wir sie seit dem Jahre 1950 noch nicht hatten. Natürlich liegen wir im EU-Vergleich ganz gut. (Staatssekretär Dr. Finz: Bestens!) Nein, die Besten nicht, aber wir liegen ganz gut. (Neuerliche Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.) Aber, Herr Staatssekretär, Sie wissen so gut wie ich, dass das seit zehn, seit 15 Jahren so war, dass wir uns diese Position mühevoll erarbeitet haben, dass wir den zweiten Platz schon einmal gehabt haben und dann wieder überholt wurden. Es ist nicht wirklich ein Verdienst, wenn eine andere Regierung noch schneller scheitert als Ihre und die nie­der­ländischen Arbeitslosenzahlen jetzt um so viel rascher steigen als die öster­reichi­schen.

Wahr ist: Wenn wir uns an unseren eigenen Errungenschaften messen und nicht sozu­sagen an den Fußmaroden in der Europäischen Union, dann haben wir eine substan­tielle Steigerung der Arbeitslosigkeit und eine Arbeitslosenzahl, die wir seit 52 Jahren nicht hatten. (Zwischenbemerkung von Staatssekretär Dr. Finz.)

Wir haben eine hohe Beschäftigtenzahl – wir haben seither auch eine gestiegene Be­völke­rungszahl –, aber, Herr Staatssekretär, Sie können das tun, was Sie gerade tun, näm­lich: es wegreden. Ich meine, es sollte eine für die Wirtschaftspolitik verantwort­liche Regierung nachdenklich stimmen und zu Antworten auffordern. Diese Antworten bekommen weder die Arbeitslosen noch die Pensionisten – die bekommen einen ge­ring­wertigen Händedruck –, noch die öffentlich Bediensteten, wie man aus den Ver­hand­lungen hört. – Und Sie bezeichnen das alles als Erfolg!

Nun hat sich der Herr Vizekanzler – nicht zu kritisieren – darauf konzentriert, über sein Ressort zu berichten. Das war ja jetzt an sich die Erklärung des Verkehrsministers, nicht wirklich die des Vizekanzlers, denn abgesehen von den offenen Ohren des Herrn Bundeskanzlers und dem bürgerlichen Charakter der gesamten Regierung, den ich natürlich nicht bestreite, haben wir von Ihnen nicht sehr viel über Ihr Ressort Hinaus­gehendes gehört, Herr Vizekanzler.

Aber es ist ein wichtiges Ressort, und es ist ein Ressort, das natürlich zu Recht auch in der öffentlichen Diskussion steht. Sie haben kurz das gestreift, was Sie als die ÖBB-Reform bezeichnen, was aber nun alles andere ist als eine Reform, nämlich ein mut­williges Spiel mit einem Unternehmen – das auch Staatseigentum darstellt –, mit dem


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