Bundesrat Stenographisches Protokoll 702. Sitzung / Seite 53

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rem vielleicht auch den schönen Bundesratssaal hier oder im Palais Epstein eben nicht mehr.

Zu den Beitrittsverhandlungen möchte ich erwähnen, dass hiezu ein Papier aus Brüs­sel vorliegt, welches auch Hannes Swoboda sehr treffend charakterisiert, in einem Punkt zumindest. Ich zitiere: Trotz allgemeiner Bescheinigung der Beitrittsreife für die zehn ost- und südosteuropäischen künftigen Mitgliedstaaten äußert die EU-Kommis­sion in ihren diesjährigen Fortschrittsberichten ernsthafte Besorgnis bei der Erfüllung von EU-Recht in 39 Bereichen, schreibt Hannes Swoboda.

Zum Beispiel Polen: in neun Bereichen. Hannes Swoboda meint dazu: Die Mängel stehen in krassem Widerspruch zum selbstbewussten Auftreten der Polen. – Zitatende.

Oder Malta: sechs Bereiche. Die Malteser haben herausverhandelt, dass sie für einige Jahre keine Mehrwertsteuer auf Lebensmittel einzuheben brauchen, was natürlich da­zu beiträgt, dass sie billiger anbieten können, vor allem was Mittelmeer- und Übersee­waren anlangt. Dadurch wird auch der Beitrag Maltas zur EU niedriger, weil dieser eben an Hand der Mehrwertsteuer bemessen wird.

Weiters: Lettland: fünf Bereiche; Ungarn: vier Bereiche; Slowakei: vier Bereiche; Tsche­chische Republik: drei Bereiche; Estland: drei Bereiche; Zypern: drei Bereiche; Litauen: zwei Bereiche; Slowenien: ein Bereich.

Erfreulich ist, dass es große Übereinstimmung darin gibt, dass ein EU-Beitritt der Türkei noch nicht in Erwägung gezogen werden kann, weil es in diesem Land doch zu große Mängel hinsichtlich Umsetzung wesentlicher demokratischer Rechte, der Men­schenrechte beispielsweise, gibt. Ebenso dürfen in diesem Zusammenhang die wirt­schaftlichen Probleme der Türkei nicht außer Acht gelassen werden.

Vor wenigen Tagen ist ein Beitrittsvertragstext an uns ergangen, und zwar mit einigen tausend Seiten; in der Größe von 40 x 35 x 40. Dazu kann man nur feststellen, wie schwierig es für uns alle ist, die Zeit zu finden, sich das alles genau anzuschauen. Und dabei geht es um die Sonderrechte, die sich die neuen Vertragsteilnehmer heraus­verhandeln wollen – eben in dieser Größe, wie ich das soeben aufgezeigt habe.

Die Republik Österreich hat damals ohne Wenn und Aber diese Verpflichtungen auf sich genommen, und manche werden vielleicht auch sagen: Die Republik Österreich ist in den Sumpf gesprungen! – Und jetzt sind wir drinnen und tun uns entsprechend schwer.

Was die innere Sicherheit anlangt, plagt uns schon jetzt die Ostöffnung. Und wenn man heutige Zeitungen durchblättert, dann, muss ich sagen, ist da schon noch einiges zu tun, und zwar nicht nur in Wien, sondern auch in Niederösterreich, im Burgenland, kurzum: in allen Ländern, die an Ostgebiete angrenzen. (Bundesrat Bieringer hält kurz ein Schriftstück in die Höhe.) – Das ist gut, danke für den Hinweis, ich bin „blind“.

Die äußere Sicherheit habe ich ja bereits erwähnt; die soll wahrscheinlich demnächst im Kongo oder in Kabul verteidigt werden. – Das, meine Damen und Herren, halte ich nicht für sehr günstig!

Ein Punkt, der hier nicht angesprochen worden ist, ist die Aufnahme von Verhand­lun­gen wegen der Beneš-Dekrete und der AVNOJ-Bestimmungen. Sehr geehrter Herr Vi­zekanzler, diesbezüglich ist eine weitgehende Übereinstimmung in der österreichi­schen Bevölkerung vorhanden, dass man nicht nur beim Transit, sondern auch in dieser Frage das Wort „Veto“ schon zu oft in den Mund genommen hat, als dass es eine scharfe Waffe wäre. Aber Tatsache ist, dass bei beiden Punkten, so sie nicht im Sinne der Republik Österreich ausfallen, im Nachhinein gesagt werden könnte: eine echte Niederlage von zehn Jahren Verhandlungen der Republik.

 


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