Bundesrat Stenographisches Protokoll 702. Sitzung / Seite 119

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

betreuung im Oktober 2002 hat sich die Situation drastisch verschärft: Wurden früher zumindest Familien und besonders bedürftige Personen größtenteils betreut, stehen jetzt auch Eltern mit Kleinkindern, Schwangere, chronisch Kranke und Traumatisierte auf der Straße.

Durch die geltenden Bestimmungen müssen viele ihr Asylverfahren auf der Straße abwarten. Die Notquartiere verschiedener Einrichtungen reichen schon lange nicht mehr aus. Die Praxis des Bundes, AsylwerberInnen die Unterstützung zu verweigern, wurde nun vom Obersten Gerichtshof als rechtswidrig erkannt. Dennoch bestehen die angesprochenen Unzulänglichkeiten immer noch. Mit der vorliegenden Novelle wird sich die Situation im Prinzip noch verschärfen.

Damit wird zukünftig ein noch viel geringerer Teil der AsylwerberInnen Zugang zu einem, den internationalen Grundlagen entsprechenden Verfahren und dem daran ge­bundenen Anrecht auf Unterkunft, Verpflegung und Krankenversorgung haben.

Mit dieser Novelle setzen Sie bewusst die Praxis fort, Gesetze ungeachtet der Ver­fassung und der völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs zu beschließen. Asylge­setze und Bundesbetreuungsgesetze werden daher in der Liste jener 62 bisher beim Verfassungsgerichtshof als zumindest teilweise verfassungswidrig aufgehobenen Gesetze Aufnahme finden. Zudem wird Österreichs Ansehen in der Staatenge­mein­schaft als ein Land mit einer anerkannten Asyltradition deutlich geschwächt.

Zum bisherigen Vollzug des Asylrechtes will ich festhalten, dass 700 positive Asyl­bescheide jährlich nicht unbedingt einen Akt von Großzügigkeit darstellen. Der Ruf, den sich Österreich seit 1956 erworben hat, wird mit der derzeitigen Praxis extrem be­schädigt.

Mit dem vorliegenden Gesetz wird es für Flüchtlinge noch schwieriger werden, Schutz zu erhalten, und für Mitarbeiter der Asylbehörden werden weniger Möglichkeiten be­stehen, diesen zu gewähren. Dieses Gesetz ist in seinen Tendenzen so restriktiv, dass Österreich zum Schlusslicht bei den Asylbewerbungen in Europa werden wird. Nicht zuletzt haben auch die Vertreter des UNHCR in Genf bestätigt, dass dieses Gesetz folgende Merkmale hat: mehr Zugangsbeschränkungen, mehr Tempo, weniger Rechts­schutz.

Wie es derzeit ausschaut, darf ich hier an einem Beispiel veranschaulichen – ich möchte dabei einen Vergleich zwischen dem Arztbesuch in einem Krankenhaus und dem Ansuchen um Asyl bringen –: Wenn man heute in ein Krankenhaus eingeliefert wird, untersucht einem ein Arzt, und der stellt fest, ob man im Krankenhaus bleiben muss oder ob man ambulant behandelt wird.

Derzeit wird in Österreich der Asylwerber sozusagen von einer Krankenschwester un­tersucht, und es wird festgestellt, ob er hier bleiben kann oder ob er gehen muss. Erst wenn er dagegen Einspruch erhebt, kommt der Arzt und untersucht ihn.

Das neue Asylgesetz wird so sein, dass sozusagen der Portier beim Krankenhaus feststellen wird, ob man eine Krankheit hat. Die Asylwerber werden vom Portier – das ist die 72-Stunden-Regelung – zurückgewiesen werden, dann kommt die Kranken­schwes­ter, und dann kommt erst ein Arzt. – So schaut der Vergleich eines Asylan­suchens gemäß der neuen Asylgesetz-Novelle mit einem Arztbesuch in einem Kran­kenhaus aus!

Herr Bundesminister, Sie haben „NEWS“ ein Interview gegeben, und in diesem Inter­view werden Sie darauf angesprochen, dass Sie als ein Verfechter einer schwarz-grünen Koalition galten, und dann werden Sie gefragt, ob Sie denn dieses Asylgesetz auch dann so gemacht hätten, wenn Sie mit den Grünen in einer Regierung wären. Auf diese Frage antworteten Sie Folgendes – ich zitiere wörtlich –:

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite