Bundesrat Stenographisches Protokoll 702. Sitzung / Seite 139

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Ich bin mir aber nicht sicher, dass in dieser Diskussion darüber Einigkeit herrscht, dass all diese Grundsätze auch wirklich eingehalten werden müssen. Wie sonst wäre es möglich, dass so viele Rechte verletzt werden, dass zum Beispiel das Recht von Schutz­suchenden verletzt wird, den Schutz vor Abschiebung in ein Land, in dem sie gefährdet sind, genießen zu können?

Im Zusammenhang mit diesen Schnellverfahren, die es in Zukunft geben wird, steigt das Risiko von Fehlentscheidungen. Es kann sehr schnell zu einer Abschiebung zu­rück ins Transitland kommen, und dadurch kann es zu so genannten Kettenabschie­bun­gen kommen. Wie gesagt: Die Gefahr von Fehlentscheidungen steigt.

Übrigens: Der Schutz vor Abschiebung in ein Land, in dem der Schutzsuchende gefährdet ist, ist in der Genfer Flüchtlingskonvention festgeschrieben. Seitens des UNHCR wurde diesbezüglich bereits von einer Konventionswidrigkeit gesprochen. Ebenso wird das Recht auf individuelle Prüfung verletzt. Es wird von sicheren Dritt­staaten beziehungsweise sicheren Herkunftsstaaten gesprochen: Die Abschiebungen werden in Zukunft ohne individuelle inhaltliche Prüfung vorgenommen werden können, und zwar auf Grund der schon erwähnten Listen. – Das steht allerdings im Wider­spruch zum Vierten Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention.

Zum Neuerungsverbot sage ich Ihnen: Menschen, die an Österreich Asylanträge stellen, Menschen, die an den Grenzen aufgegriffen werden, sind in den meisten Fäl­len traumatisiert. – Es ist sehr schön, wenn Frau Partik-Pablé durch Flüchtlings­heime geht und sich nach den Gründen dafür erkundigt. Dazu möchte ich aber sagen: Auch ich würde Ihnen – auch wenn Sie das in bester Absicht tun – meine Lebens­ge­schichte nicht auf die Nase binden. Ich glaube, dass diese Menschen wirklich trau­matisiert sind, vor allem Frauen, die sexueller Gewalt ausgesetzt waren und in ihren Heimatländern schwerste Bedrohungen erdulden mussten. (Zwischenruf des Bundes­rates Dr. Küh­nel.)

Glauben Sie wirklich, dass traumatisierte Menschen, die mit Beamten meist keine gu­ten Erfahrungen und eine schlimme Zeit hinter sich haben, wirklich im ersten Moment kommen und sagen werden: Jetzt weiß ich es! Ich werde jetzt meinen Fall bestmöglich präsentieren!, und dann eine Art Referat darüber halten werden, was ihnen passiert ist? – Ich glaube nicht, dass es so sein wird! Vielmehr glaube ich, dass gerade dieses Neuerungsverbot in solchen Fällen dazu führen wird, dass viele Menschen, die traumatisiert sind, nicht alle Gründe nennen können werden. (Beifall bei den Grünen. – Bundesminister Dr. Strasser: Sie haben das Gesetz nicht gelesen!)

Das war jetzt nur ein kleiner Ausschnitt aus der Reihe von Rechten, die beschnitten wur­den. Abgesehen von den Rechten der Asylwerber wurden aber auch noch die Rechte anderer verletzt: Ich spreche jetzt von den NGOs. Diesbezüglich gibt es ein eindeutiges OGH-Urteil: Der Bund ist verpflichtet, mittellose Asylwerber zu betreuen, und wenn andere für ihn diese Betreuung übernehmen, diesen die Kosten zurück­zuerstatten. In einer neuen Regelung erlaubt sich nun die Regierung selbst, diese Ver­pflichtung nicht wahrzunehmen und auch die Kosten nicht zurückzuerstatten. – Das ist meines Erachtens eine Beleidigung aller Organisationen, die seit Jahren in diesem Bereich tätig waren!

Etwas verstehe ich dabei nicht: Immer wieder wird vor allem von der ÖVP betont, wie wichtig freiwillige Mitarbeiter sind und wie wichtig Ehrenamtlichkeit für die Gesellschaft ist. In diesem Bereich gibt es Menschen, die in Organisationen unentgeltlich viele Stun­den großen Einsatz leisten. Das wird lediglich damit honoriert, dass diese eventuell einmal im Jahr erwähnt werden. Man sagt dann, wie wichtig und toll das ist, und viel­leicht wird auch jemand geehrt, aber nie wird das Fachwissen und die Expertise von Menschen, die sich in diesem Bereich auskennen und in NGOs arbeiten, wirklich ernst


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