Bundesrat Stenographisches Protokoll 703. Sitzung / Seite 62

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Österreich bekanntlich ein Garant für Dauerhaftigkeit! –, und es regelte primär das Ver­lassenschaftsverfahren. Die 19 Paragraphen zu Beginn verdienten nicht einmal die Be­zeichnung als allgemeiner Teil.

Der große Reformator und Verfasser der österreichischen Zivilprozessgesetze Franz Klein plante bereits Ende des 19. Jahrhunderts die Erneuerung des Außerstreitver­fahrens. Die bewegten Zeiten vor dem Ersten Weltkrieg und während seines Verlaufs und danach die Nöte der jungen Ersten Republik ließen das Anliegen zurücktreten.

Gewisse Anläufe, das Reformvorhaben wieder aufzunehmen, gab es aber durchaus auch in der Zwischenkriegszeit. Erst nach der politischen und wirtschaftlichen Konsoli­dierung der Zweiten Republik setzten erneut jahrzehntelange Bestrebungen zur Neu­fassung des Außerstreitgesetzes ein. Immer deutlicher kristallisierten sich dabei die Grundelemente einer zeitgemäßen Neuordnung heraus.

Es muss auch betont werden, dass es das Verdienst einer vernünftigen Rechtspre­chung war, dass das so antiquierte wie fragmentarische Stammgesetz von 1854 über­haupt bis heute anwendbar geblieben ist.

Der bereits verstorbene Fachvertreter Professor Winfried Kralik, dem auch ein eigener Alternativentwurf zum ersten Entwurf des Bundesministeriums zu verdanken ist, der bis in das heute vorliegende Gesetz nachwirkt, hat es einmal mit einem mittelalterlichen Weistum verglichen.

Bei aller Anerkennung der rechtsfortbildenden Bemühungen der Rechtsprechung ist jedoch festzuhalten, dass es nicht der Verfassung, insbesondere nicht dem Legalitäts­prinzip des Artikels 18 B-VG, und auch nicht unserer Tradition und unserem Rechts­quellensystem entspricht, wenn die Grundsätze eines rechtsstaatlichen Verfahrens und wesentlicher Institute nicht im Gesetz verankert sind, sondern allein auf Richterrecht beruhen.

Unter Berücksichtigung der Neuentwicklungen in Lehre und Rechtsprechung nahm das Reformwerk in jahrelanger Arbeit im Bundesministerium für Justiz zunehmend Gestalt an.

Mit der Qualifikation als großer Wurf oder gar Jahrhundertwerk sollte man gewiss zurückhaltend umgehen, aber in Bezug auf das neue Außerstreitgesetz stehe ich nicht an festzuhalten: Diese Gesetzesreform ist rundum geglückt! – Dank dafür gebührt den Legisten des Ministeriums, neben dem Leiter der Zivilrechtssektion, Herrn Dr. Gerhard Hopf, und Frau Leitender Staatsanwalt Dr. Kloiber ursprünglich insbesondere Herrn Ministerialrat Dr. Leo Feitzinger und danach vor allem dem Leiter des Referats Außer­streitsachen, Herrn Leitendem Staatsanwalt Dr. Michael Stormann. Nicht zuletzt gilt es aber auch, zwei Richter und ihr besonderes Verdienst am Gelingen zu würdigen, die sich für längere Zeit dem Ministerium zuteilen ließen, um das Projekt hauptberuflich zu betreuen. Es sind dies Frau Rat Dr. Maria-Theresia Neuhold – inzwischen wieder nach Graz in das Richteramt, und zwar an das Oberlandesgericht, zurückgekehrt –, die das Grundkonzept erstellte, und Herr Rat Dr. Robert Fucik – ich freue mich, dass er heute anwesend ist –, seither Richter des Oberlandesgerichtes Wien, der dem Werk den fachlichen und systematischen Feinschliff gab und insbesondere das Verlassen­schaftsverfahren und andere Spezialgebiete auf den jetzt erreichten Stand brachte.

Mit Recht hebt der Bericht des Justizausschusses hervor, dass es darum ging, eine moderne, den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit, aber auch dem besonders hilfe­orientierten und friedensrichterlichen Charakter des Außerstreitverfahrens Rechnung tragende eigenständige Verfahrensordnung zu schaffen. Verbessert wurde vor allem die Gewährleistung des rechtlichen Gehörs der Parteien, die den Anforderungen des Artikels 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention voll genügt, insbesondere


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