Bundesrat Stenographisches Protokoll 703. Sitzung / Seite 61

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wenn mit unserer Zustimmung hier ein Gesetz verändert wird, das aus dem Jahr 1854 datiert; so lange wurde auf dieser Basis Recht gesprochen.

Es waren 20 Jahre, aber insbesondere die neunziger Jahre, in denen man die Grund­züge des heute vorliegenden Gesetzes erarbeitet hat. Eigentlich war es, ausgenom­men die Außerstreitregelung im Wohnbereich, zu Beginn des Jahres 2000 fertig. Ich bin froh, dass es heute vorliegt, denn dieses neue Außerstreitgesetz ist eine Materie, die kostengünstiger, direkter und schneller wirksam, bürgernäher ist, die die Folgekos­ten einschränkt und letztlich auch die Gerichte entlastet. Wir werden diesem historisch wichtigen und von der Intention her richtigen Gesetz gerne unsere Zustimmung geben.

Aber eines haben wir nicht verstanden: warum nun in dieser Form, und zwar in so kur­zer Form, das Außerstreitverfahren im Wohnbereich reingenommen wurde und damit ein funktionierendes System gekippt wurde – der Bereich der Schlichtungsstellen, der unkomplizierte Zugang. Wenn man die Stadt Wien hernimmt: Nur 14 Prozent aller Streitigkeiten im Wohnbereich sind an die Bezirksgerichte gegangen – nur 14 Pro­zent! –, der Rest konnte bei den Schlichtungsstellen erledigt werden.

Sie haben es im Außerstreitbereich bei der Familie explizit gemacht: dass es im Fami­lienrechtsbereich eben keine Kosten gibt. Und jetzt führen wir dort, wo die Gemeinden Schlichtungsstellen eingeführt haben und wo die Sachen nichts kosten, einen relativen Anwaltszwang ein, was neue Kosten bringt. Das bedeutet, dass jeder, der heute in Mietrechtssachen – die Mieter sitzen am kürzeren Ast; sagen wir es so, wie es ist – sein Recht begehrt, einem Risiko gegenübersteht, einem Kostenrisiko, vor allem einem Kostenexplosionsrisiko; denn es sind ja keine gedeckelten Kosten.

Das verstehen wir nicht. Und da wäre es wichtig gewesen, Herr Minister – Sie wissen, dass das Miet- und Wohnrecht Materien sind, bei denen man den Titel eines Universi­tätsprofessors braucht und nichts anderes im Leben machen darf, als in diesen Materien zu arbeiten, um sie zu verstehen; so kompliziert ist dieses Recht, es ist ja fast undurchschaubar –, die Kenner, die Experten und Expertinnen und jene, die aus dem Bereich der Schlichtungsstellen seit 1922 so viele wertvolle Erfahrungen gewonnen haben, doch noch einmal zu befragen und zu schauen, warum man jetzt im Wohnbe­reich in den Zivilprozessbereich hineinrutschen muss, obwohl man ihn seit 1922 erfolg­reich draußen gelassen und gesagt hat: Mieter und Mieterinnen haben die Möglichkeit, im Außerstreitverfahren bei Schlichtungsstellen einmal zu begehren, dort kann man ihnen Hilfestellungen geben und es kostet nichts, denn hat schon die Übernahme der Wohnung genug Geld gekostet, sollen wenigstens die Verfahren, die sich daraus ent­wickeln, nicht auch noch zu finanzieren sein. Aber genau das werden wir jetzt ändern.

Ich vermute, dass viele Menschen, viele Mieter und Mieterinnen, nicht zu ihrem Recht kommen werden, weil sie auf Grund der Kosten, die vielleicht auf sie zukommen, einen solchen Gang scheuen werden, obwohl sie vielleicht im Recht wären.

Es tut mir Leid, Herr Minister, aber bei diesem Gesetz werden wir dagegen stimmen! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

12.08

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Nächster Redner ist Herr Universitätsprofessor Dr. Böhm. Ich erteile ihm das Wort.

 


12.08

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Damen und Herren des Hohen Hauses! Das heute zu beschließende Außerstreitgesetz bildet zweifellos einen Meilenstein der Justizpolitik. Das bisher geltende Außerstreitgesetz – das wurde ja schon erwähnt – stammt aus dem Jahr 1854. Es war schon damals als bloßes Provisorium gedacht – in


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