Bundesrat Stenographisches Protokoll 703. Sitzung / Seite 70

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Ich halte das auch nicht für eine sehr glückliche Vorgangsweise – und daher müssen wir diesen Entwurf ablehnen. Es ist schade, dass es nicht möglich gewesen ist, einen gemeinsamen Weg zu gehen: gerade bei einer Materie, die so wichtig ist, wenn es nämlich um das Schicksal von Jugendlichen geht. (Beifall bei der SPÖ und bei Bun­desräten der Grünen.)

12.36

 


Vizepräsident Jürgen Weiss: Ich erteile nun Herrn Bundesminister Dr. Böhmdorfer das Wort. – Bitte, Herr Minister.

 


12.37

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Ich melde mich zu diesen Tages­ordnungspunkten ungewöhnlich früh zu Wort, und zwar deshalb, weil ich nicht möchte, dass eine unsachliche Bemerkung in dieser Debatte hängen bleibt. Diese Materie hat sich viel Sachlichkeit verdient.

Ich muss nun etwas wiederholen, weil Sie, Frau Bundesrätin Dr. Hlavac, das unrichti­gerweise gesagt haben: Die Verlegung des Jugendgerichtshofes war deshalb notwen­dig, weil dort nur 56 Betten zur Verfügung standen, es aber einen Haftraumbedarf für 170 Personen gab: damals! Mittlerweile ist dieser Bedarf sogar noch gestiegen!

Herr Präsident Dr. Jesionek hatte uns diese Dramatik nicht zur Kenntnis gebracht, son­dern hat die Zellen randvoll belegt, sodass die Belegung menschenrechtskonventions­widrig war. Es widersprach der Anti-Folter-Konvention! Sie haben richtig gehört: der Anti-Folter-Konvention!

Es mussten deshalb, vor allem wegen des bedrängten Platzangebotes im Jugendge­richtshof, die Häftlinge und damit auch das gesamte Gericht an einen modernen, funk­tionsgerechten Platz übersiedelt werden: eben in die Justizanstalt Josefstadt. Dort steht für die jugendlichen Häftlinge ein ganzer Trakt, sogar mit Werkstätten zur Ver­fügung, ebenso Freizeiteinrichtungen und anderes mehr. Auch der Herr Bundespräsi­dent hat das begutachtet; jeder Reporter, jeder Journalist kann das gleichfalls tun. Es werden jedoch dort ständige Besuche und Versuche gemacht, diese gesamte Situation zu desavouieren.

Wir mussten damals Häftlinge, mussten diese Jugendlichen – an der Schließe natür­lich – durch ganz Wien fahren, weil sie beispielsweise in Simmering sowie in anderen Haftanstalten untergebracht waren. Insgesamt handelte es sich dabei also um eine menschenrechtswidrige und menschenunwürdige Situation, die durch Überbelag zu­stande gekommen ist. Es bestand auch nicht die Möglichkeit, sich durch Baumaßnah­men zu helfen, steht doch dieses Gebäude unter Denkmalschutz. Man hätte höchstens durch Niederreißen von Mauern die Bettenzahl verringern können, was jedoch sinnlos gewesen wäre.

Diese Situation in Bezug auf eine ordentliche Jugendgerichtsbarkeit stellen wir jetzt auch in Linz her, und zwar im Einvernehmen mit allen Personalvertretern, mit allen Be­troffenen und Beteiligten und unter großem Jubel der Bevölkerung.

Der Sprengel Linz-Land hatte ein Gericht außerhalb seines geographischen Gebietes, und zwar in Linz-Urfahr. – Dieses Gericht gehört in den Gerichtssprengel und kommt jetzt dorthin. Wir stellen dadurch dieselbe Jugendgerichtsbarkeit her, wie sie im „rest­lichen“ Österreich besteht, die funktioniert und anerkannt ist.

Nicht Herr Präsident Jesionek persönlich – dessen Verdienste ich nicht bestreiten möchte – genießt internationalen Ruf, zumindest nicht wegen der Jugendgerichtsbar­keit oder nicht nur wegen dieser, sondern die gesamte österreichische Jugendge­richtsbarkeit verdient und genießt diesen Ruf: von Bregenz bis Wien! Und sie funktio-


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