Bundesrat Stenographisches Protokoll 703. Sitzung / Seite 142

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Als Nächster zu Wort gelangt Herr Bundesrat Dr. Gumplmaier. – Bitte.

 


17.29

Bundesrat Dr. Erich Gumplmaier (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Sehr geehrter Herr Staatssekretär! Liebe Kollegen, Kolleginnen, Bundesräte! Der Bericht zur sozialen Lage hat auch Berüh­rungspunkte mit dem eben behandelten Thema. Erstmals finden sich veterinärmedizi­nische Aspekte im Sozialbericht.

Insgesamt finden wir in dem uns heute hier vorliegenden Bericht zur sozialen Lage in seinem Grundaufbau durchaus dieselbe Sorgfalt angewandt, wie wir sie traditioneller­weise aus dem Haus Sozialministerium gewohnt sind. Es sind die einzelnen Themen­komplexe sehr genau, wissenschaftlich und sorgfältig beleuchtet. Was sich aber ver­ändert hat, sind die Behandlung des Ergebnisses und der Umgang damit. Die Schluss­folgerungen zum Bericht über die soziale Lage durch die derzeitige Bundesregierung bleiben im Vergleich zu früheren Bundesregierungen aus oder gehen in eine andere Richtung.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die derzeitige Bundesregierung den Wert dieser Analyse nicht wirklich erkennt. Der Bericht über die soziale Lage ist eine sehr fundierte Analyse über den gesellschaftlichen Zustand, die leider derzeit von der Bundesregierung häufig ins Gegenteil verkehrt wird.

Eine Sozialpolitik, die diesen Namen verdient, würde die Gelegenheit – diesen um die Hälfte abgespeckten und auf zwei Jahre zusammengefassten Bericht – nützen, um über eine Neuorientierung nachzudenken und tatsächlich vieles Verbesserungswürdige zu finden.

Sozialpolitik ist im Moment vor allem das Feld, auf dem nach Einsparungsmöglichkei­ten gesucht wird, getrieben von einer inneren Einstellung, die sich in Begriffen aus der Vergangenheit so anhört: Ich zitiere den derzeitigen Parlamentspräsidenten Khol mit der „sozialen Hängematte“, die heutige Regierungspartei FPÖ mit der „Sozialschmarot­zer“-Kampagne, Begriffe, die der Bundeskanzler häufig verwendet, wie „Besitzstands­wahrer“ – diskriminierende Begriffe, die den Boden für eine Einsparungspolitik aufbe­reiten. Das Wort „Reform“ wird umgedeutet, indem man damit nicht Verbesserung, sondern immer Abbau meint.

Es ist gerade das Feld der Sozialpolitik, das diese Bundesregierung als Zielscheibe be­nützt, um mit der Behauptung, der Wohlfahrtsstaat hätte zu viel Fett angesetzt und wir könnten uns vieles in der Sozialpolitik nicht mehr leisten, Einsparungen umzusetzen. In einem Nebensatz gesagt: Wenn wir uns vieles nicht mehr leisten können, dann liegt es vor allem an der falschen Wirtschaftspolitik, denn richtige Wirtschaftspolitik ist eigent­lich die beste Sozialpolitik. Nur so ist es auch zu erklären, dass Österreich in Wirklich­keit ein wesentlich höheres Defizit hätte als die von dieser Regierung getadelte deut­sche Bundesrepublik, wenn wir dieselbe niedrigere Abgabenquote hätten. Es wird hier den Menschen mit sehr verlogenen Argumenten Sand in die Augen gestreut.

Ein wesentlicher Teil der Sozialpolitik fehlt in diesem Bericht, und zwar deshalb, weil die Kompetenzen aufgeteilt wurden: der Bericht über die Beschäftigungslage, über die Erwerbstätigkeit und natürlich auch über die Folgen und Auswirkungen der Arbeits­losigkeit.

Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen! Wenn Sie diesen Bericht als Lesestoff ernst nehmen, dann würden Sie schnell zur Erkenntnis kommen, dass die Sozialpolitik weiter auszubauen wäre, dass es genügend Betätigungsfelder für Refor­men geben würde, dass es nicht genügen wird, aus der Vergangenheit geerbte innova­tive soziale Gesetze zu verwalten, sondern dass auch heute Innovation gefragt ist.

 


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