Beneš-Dekrete und für das eine Generalamnestie
gewährende Straffreistellungsgesetz. Leider kann man das nicht bloß als
historische Rechtsakte in Reaktion auf die vorangegangene Besetzung und
NS-Herrschaft abtun, somit als eine Rechtslage, die heute überholt und
bedeutungslos geworden ist. Vielmehr berufen sich bis heute Behörden und
Gerichte in aktuellen Entscheidungen auf diese immer noch in Geltung stehenden
Dekrete. Mit anderen Worten: Sie stellen daher nicht obsoletes, das heißt totes
Recht dar, sondern bilden lebendes Unrecht.
Obzwar
ich selbst landsmannschaftlich familiär vom Vorgehen gegen die Altösterreicher
deutscher Muttersprache betroffen bin, habe ich mit dem tschechischen Volk, das
keinesfalls kollektiv verantwortlich zu machen ist, meinen persönlichen Frieden
geschlossen. Wir lehnen ja bekanntlich jede Kollektivschuldthese ganz
entschieden ab. Und schon gar nicht kann die heutige Generation dafür
verantwortlich gemacht werden, die ja in der kommunistischen Ära über diese
historischen Ereignisse überhaupt nicht oder nur ganz einseitig informiert
worden ist.
Gleiches
beanspruche ich für die sudetendeutschen Landsmannschaften, denn relativ
frühzeitig haben sie in der Charta der Heimatvertriebenen jedem Revanchedenken
abgeschworen und sich für die Versöhnung beider Völker ausgesprochen. Aber jede
echte Aussöhnung kann keine Einbahnstraße bilden. Und gerade in Bezug darauf
ist Österreich, ist meine Fraktion und bin ich persönlich höchst enttäuscht.
Ausgehend davon, dass der Raum der heutigen Tschechischen Republik über Jahrhunderte hindurch dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und danach der Österreichisch-Ungarischen Donaumonarchie angehört hat, bevor er ein eigener Nationalstaat geworden ist, bin ich von der notwendigen Zugehörigkeit dieses Staatsgebietes und dieses Volkes zu einer zukunftsfähigen Europäischen Union voll überzeugt. Das würde ja auch die Heimatvertriebenen ihrer alten Heimat näher bringen.
Aus dieser Sicht habe ich auch sehr gerne an den Besuchen österreichischer Parlamentsdelegationen in die Tschechische Republik teilgenommen. Wir haben damals dem Wunsch der tschechischen Führung Rechnung getragen, vor dem Referendum über den Beitritt zur Europäischen Union keine österreichischen Forderungen in der Öffentlichkeit zu stellen, die in der innenpolitischen Debatte der Tschechischen Republik kontraproduktiv hätten wirken können. In durchaus offenen, ergiebigen und weiterführenden Hintergrundgesprächen mit Abgeordneten des tschechischen Parlamentes, beider Häuser – auch Kollege Konecny war dabei –, haben wir allerdings keinen Zweifel daran offen gelassen, dass sich Österreich bis zur Ratifikation der Beitrittsverträge eine politische Entwicklung innerhalb der Tschechischen Republik erwartet, die zumindest zu symbolischen Gesten in Richtung einer Aufarbeitung des historischen Unrechts führen sollten. – All das ist bis heute nicht geschehen.
Die bekannte Göttweiger Erklärung des Premierministers Špidla war dazu ein erster Schritt in die richtige Richtung; das ist voll anzuerkennen, auch der Herr Bundeskanzler hat das getan. Es ist später freilich wieder aus innenpolitischen Gründen relativiert worden.
Wenn man dem entgegnet, dass sich vergleichbare Übergriffe nach dem Zweiten Weltkrieg und in Reaktion auf die Geschehnisse davor auch in anderen osteuropäischen Ländern ereignet haben, so muss das doch aus heutiger Sicht relativiert werden. In der Slowakischen Republik etwa hat sich Staatspräsident Schuster von den Beneš-Dekreten, insoweit sie Volksgruppen der Volksdeutschen und Magyaren kollektiv enteignet und diskriminiert haben, klar distanziert.
Nicht minder als die Beneš-Dekrete haben die so genannten AVNOJ-Bestimmungen im Raum des ehemaligen Jugoslawiens die Volksdeutschen diskriminiert, vertrieben und ihr Eigentum konfisziert.
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