Bundesrat Stenographisches Protokoll 704. Sitzung / Seite 24

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Beneš-Dekrete und für das eine Generalamnestie gewährende Straffreistellungs­ge­setz. Leider kann man das nicht bloß als historische Rechtsakte in Reaktion auf die vorangegangene Besetzung und NS-Herrschaft abtun, somit als eine Rechtslage, die heute überholt und bedeutungslos geworden ist. Vielmehr berufen sich bis heute Be­hörden und Gerichte in aktuellen Entscheidungen auf diese immer noch in Geltung stehenden Dekrete. Mit anderen Worten: Sie stellen daher nicht obsoletes, das heißt totes Recht dar, sondern bilden lebendes Unrecht.

Obzwar ich selbst landsmannschaftlich familiär vom Vorgehen gegen die Altöster­rei­cher deutscher Muttersprache betroffen bin, habe ich mit dem tschechischen Volk, das keinesfalls kollektiv verantwortlich zu machen ist, meinen persönlichen Frieden ge­schlossen. Wir lehnen ja bekanntlich jede Kollektivschuldthese ganz entschieden ab. Und schon gar nicht kann die heutige Generation dafür verantwortlich gemacht wer­den, die ja in der kommunistischen Ära über diese historischen Ereignisse überhaupt nicht oder nur ganz einseitig informiert worden ist.

Gleiches beanspruche ich für die sudetendeutschen Landsmannschaften, denn relativ frühzeitig haben sie in der Charta der Heimatvertriebenen jedem Revanchedenken abgeschworen und sich für die Versöhnung beider Völker ausgesprochen. Aber jede echte Aussöhnung kann keine Einbahnstraße bilden. Und gerade in Bezug darauf ist Österreich, ist meine Fraktion und bin ich persönlich höchst enttäuscht.

Ausgehend davon, dass der Raum der heutigen Tschechischen Republik über Jahr­hunderte hindurch dem Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation und danach der Österreichisch-Ungarischen Donaumonarchie angehört hat, bevor er ein eigener Na­tional­staat geworden ist, bin ich von der notwendigen Zugehörigkeit dieses Staats­gebietes und dieses Volkes zu einer zukunftsfähigen Europäischen Union voll über­zeugt. Das würde ja auch die Heimatvertriebenen ihrer alten Heimat näher bringen.

Aus dieser Sicht habe ich auch sehr gerne an den Besuchen österreichischer Par­lamentsdelegationen in die Tschechische Republik teilgenommen. Wir haben damals dem Wunsch der tschechischen Führung Rechnung getragen, vor dem Referendum über den Beitritt zur Europäischen Union keine österreichischen Forderungen in der Öffent­lichkeit zu stellen, die in der innenpolitischen Debatte der Tschechischen Re­publik kontraproduktiv hätten wirken können. In durchaus offenen, ergiebigen und weiterführenden Hintergrundgesprächen mit Abgeordneten des tschechischen Par­lamentes, beider Häuser – auch Kollege Konecny war dabei –, haben wir allerdings keinen Zweifel daran offen gelassen, dass sich Österreich bis zur Ratifikation der Bei­trittsverträge eine politische Entwicklung innerhalb der Tschechischen Republik erwar­tet, die zumindest zu symbolischen Gesten in Richtung einer Aufarbeitung des histo­rischen Unrechts führen sollten. – All das ist bis heute nicht geschehen.

Die bekannte Göttweiger Erklärung des Premierministers Špidla war dazu ein erster Schritt in die richtige Richtung; das ist voll anzuerkennen, auch der Herr Bundeskanzler hat das getan. Es ist später freilich wieder aus innenpolitischen Gründen relativiert worden.

Wenn man dem entgegnet, dass sich vergleichbare Übergriffe nach dem Zweiten Welt­krieg und in Reaktion auf die Geschehnisse davor auch in anderen osteuro­päischen Ländern ereignet haben, so muss das doch aus heutiger Sicht relativiert werden. In der Slowakischen Republik etwa hat sich Staatspräsident Schuster von den Beneš-Dekreten, insoweit sie Volksgruppen der Volksdeutschen und Magyaren kollektiv ent­eignet und diskriminiert haben, klar distanziert.

Nicht minder als die Beneš-Dekrete haben die so genannten AVNOJ-Bestimmungen im Raum des ehemaligen Jugoslawiens die Volksdeutschen diskriminiert, vertrieben und ihr Eigentum konfisziert.

 


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