Bundesrat Stenographisches Protokoll 704. Sitzung / Seite 25

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Im Vergleich zur Tschechischen Republik ist aber anzuerkennen, dass die Slowakische Republik in Bezug auf die menschenrechtswidrigen Beneš-Dekrete und die Slowe­nische Republik in Bezug auf die AVNOJ-Bestimmungen die Bereitschaft zu einer rechtsstaatlichen Korrektur gezeigt haben.

Vor allem in Ungarn sind vorbildliche Lösungen sowohl zum Schutze der ethnischen Minderheiten als auch zur Beseitigung diskriminierender Maßnahmen zu Lasten be­stimmter Volksgruppen getroffen worden. Das ist voll anzuerkennen. Auch in Kroatien und selbst in Serbien-Montenegro ist unseren Anliegen in dieser Richtung entsprochen worden. Sollte sich auch die Tschechische Republik in diese Richtung hin bewegen, wäre ich der Erste, der das begrüßt.

Mein abschließendes Kontravotum versteht sich daher vor allem als Appell an die Tsche­chische Republik, auch im Sinne der Empfehlung, wie sie im Nationalrat be­schlossen worden ist, die Menschenrechtsverletzungen gegenüber der deutschen Volks­gruppe zu beenden und gutzumachen. Sollte das geschehen, würde sich der heutige Beschluss auf Aufnahme auch der Tschechischen Republik noch nachträglich rechtfertigen. – Ich danke Ihnen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

9.49

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schennach. Ich erteile ihm das Wort.

 


9.49

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundeskanzler! Sehr geschätzte Frau Minister! Lieber Herr Staats­sekre­tär! Meine Damen und Herren! Bei aller persönlichen Wertschätzung, Herr Kollege Böhm, vermisse ich in Ihrer Beschäftigung mit der tschechischen Vergangenheit, mit der Situation der Sudetendeutschen einfach immer einen Punkt: Der Böse war am Anfang nicht der Tscheche, wie es jetzt in Ihrer Rede aber herausgekommen ist. Sie vergessen einmal mehr, dass viele Sudetendeutsche von 1938 bis 1945 als Kollabo­rateure des nationalsozialistischen Regimes unterwegs waren. (Zwischenruf des Bun­desrates Dr. Böhm.)

Es rechtfertigt das nicht, Herr Kollege Böhm, die Beneš-Dekrete und ihre menschen­rechtsverletzenden Auswirkungen, aber man kann nicht ständig von B reden und A vergessen. Es hat eine Geschichte, und die haben Sie leider heute nicht gesagt. (Bun­desrat Dr. Böhm: Das habe ich erwähnt!) – Nicht in dieser Deutlichkeit! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Bei aller Kritik, die die beiden Vorredner zum heutigen Tag angebracht haben, möchte ich doch sagen: Es ist ein historischer Tag. Und bei aller Kritik, die wir heute schon gehört haben: Es ist ein historischer Schritt, es ist ein wichtiger Schritt, es ist die größte Erweiterung der Europäischen Union in einem.

Viele – viele! – haben nicht daran geglaubt, dass das Jahr 2004, das schon vor Jahren angedeutet wurde, als Zeitpunkt der Erweiterung überhaupt zu halten ist. Damit, somit auch mit der heutigen Beschlussfassung, wird ein großer Schritt in Richtung Besei­tigung der Teilung Europas – eines der wichtigsten Ziele – gesetzt.

Diese Erweiterung in den Norden, in den Süden und in den Osten ist auch ein sym­bolischer Schritt zur Verringerung der nationalen Grenzen, die wie Mauern in unseren Köpfen sind, und treibt vielleicht das Gespenst des Nationalismus, das noch immer durch Europa geistert, aus oder macht es zumindest ein wenig kleiner.

Meine Damen und Herren! Es ist mehr denn je ein Friedensprojekt. Wenn wir bedenken, dass die Erweiterung um Portugal, Spanien und Griechenland das Salazar-Regime, den Franco-Faschismus und die griechische Obristendiktatur abgelöst hat,


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