Bundesrat Stenographisches Protokoll 704. Sitzung / Seite 32

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Ich möchte aber auch ein paar kleine kritische Anmerkungen machen, weil gerade in den letzten Wochen und Monaten die Euphorie unserer Bürger in einem gewissen Maß eingebremst wurde.

Zum Ersten denke ich, dass die Transitentscheidung die Anliegen der betroffenen Men­schen nicht berücksichtigt hat. Zum Zweiten ist auch im Hinblick auf den Stabilitätspakt eine sehr schiefe Optik gegeben. Die Bürger draußen können und wollen es nicht verstehen, wenn es sich große Staaten in dieser Frage ganz einfach richten oder richten wollen.

Das Scheitern des EU-Gipfels hat zwar mit dem Beschluss heute an und für sich nichts zu tun, aber dennoch birgt es eine Gefahr. Nicht das Scheitern ist in meinen Augen die Gefahr, sondern die ersten Aussagen, die möglicherweise im Schock geschehen sind. Dennoch denke ich, dass Aussagen im Hinblick auf ein Kerneuropa der Grün­derstaaten, Aussagen im Hinblick auf ein Europa der zwei Geschwindigkeiten eine gefährliche Drohung darstellen und daher auf das Schärfste zurückzuweisen sind.

Wir müssen die Sorgen und Ängste der Menschen ernst nehmen, und daher ist es auch klar, dass die Europäische Union nur so gut und so erfolgreich sein kann und sein wird, wie es ihr gelingt, die Menschen in diese weitere Entwicklung mitzunehmen.

Insgesamt aber überwiegt die Freude über die Aufnahme dieser zehn Staaten bei weitem die Bedenken. Daher kann ich von dieser Stelle aus sagen: Liebe Tschechen, Slowaken, Ungarn, Slowenen, Polen, Esten, Litauer, Zyprioten und Malteser, ein herzliches Willkommen im gemeinsamen Europa, in einem Europa des dritten Jahr­tausends, in einem Europa, das christlich wertorientiert ist, Stabilität, Sicherheit und vor allem Frieden garantiert! (Beifall bei der ÖVP und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

10.19

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Johanna Schicker. Ich erteile dieses.

 


10.20

Bundesrätin Johanna Schicker (SPÖ, Steiermark): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Außenministerin! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein erfreulicher Tag heute im Bundesrat – analog zu jenem vor zwei Wochen im Nationalrat –, wenn wir mit der Beschluss­fassung über den Beitritt von zehn neuen Mitgliedstaaten zur Europäischen Union von Seiten Österreichs das Zeichen setzen, dass wir uns mit großer Mehrheit auf ein großes vereintes Europa freuen.

Wir freuen uns auch deshalb, weil wir historisch betrachtet auch so zusam­men­gehören, auf dieses größere vereinte Europa, in dem aber nicht – wie heute schon des Öfteren angesprochen – die so genannten Großen alleine das Sagen haben sollen, sondern in dem ein auf Vertrauen und gegenseitigen Respekt aufgebautes Miteinander aller Mitgliedstaaten Platz greifen sollte.

Gerade das ist seit der vorigen Woche, dem Scheitern der Regierungskonferenz in Brüssel, in Frage gestellt. Diese Regierungskonferenz ist – entschuldigen Sie den Aus­druck – an der Sturheit sowohl eines Beitrittslandes als auch eines schon älteren Mit­gliedslandes, aber auch an der Kompromisslosigkeit federführender Regierungsver­treter und der EU-Ratspräsidentschaft gescheitert. Dieses Scheitern ist natürlich ein ganz schlechtes Zeichen, sowohl im Hinblick auf die im nächsten Jahr stattfindenden EU-Wahlen als auch im Hinblick darauf, dass es in Zukunft immer schwerer werden wird, Kompromisse zwischen 25 Mitgliedsländern zustande zu bringen, denn es wird immer wieder nationale Begehrlichkeiten geben, die es in ihrer Dimension abzuwägen gilt beziehungsweise für die Kompromisse gefunden werden müssen, die für alle


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite