Bundesrat Stenographisches Protokoll 704. Sitzung / Seite 40

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Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Kneifel. – Bitte, Herr Bundesrat.

 


10.51

Bundesrat Gottfried Kneifel (ÖVP, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie kennen die Volksweisheit, die da lautet: Die haben aus der Geschichte nichts gelernt.

Heute, bei diesem Ratifizierungsbeschluss im Bundesrat, wird ein Schlussstrich unter diese Volksweisheit gezogen. Wir haben aus der Geschichte gelernt. Ich denke, dass dieser Kontinent, seitdem er so heißt – das war, glaube ich, als der phönizische König Agenor vor mehr als 2000 Jahren seine Tochter Europa gezeugt hat –, gepeinigt und geknechtet von Streit und Krieg war. Ja, man hat sich auf diesem Kontinent durch mehr als zwei Jahrtausende hindurch oft die Schädel eingeschlagen.

Während der letzten gut 57 Jahre haben wir aus Erfahrung festgestellt, dass die Probleme trotz Schädeleinhauens und trotz Kriegen nach Ende derselben immer größer waren als vorher. Somit kann diese Volksweisheit ein für alle Mal als über­wunden betrachtet werden. Wir haben unsere Lehren aus der Geschichte gezogen. Wir als Europa haben früher nicht nur Kriege produziert, sondern auch Kriege expor­tiert. Eine schlechte Exportware, eine äußerst schlechte Exportware! Heute exportieren wir Frieden, auf alle Fälle Frieden in die zehn Beitrittsstaaten. – So viel können wir sagen.

Ich will gar nicht an die vielen Versuche erinnern, dieses Europa zu einigen, angefan­gen von den Römern bis hin zum viel zitierten „Tausendjährigen Reich“ mit seinen fatalen Folgen und verheerenden Konsequenzen für diesen Kontinent. Aber es war eben ein Erfahrungsprozess notwendig, um zusammenzurücken. Die Friedenssehn­sucht war größer, der Wiederaufbaubedarf war damals enorm. Über die Wirtschaft sind wir zusammengekommen, und zwar über die Montanunion und die EWG, die Euro­päische Wirtschaftsgemeinschaft. Wir stehen jetzt mitten in einer Erfolgsstory, in einer europäischen Erfolgsstory, an der Österreich sehr stark mitgearbeitet hat und mitge­staltet hat: Das ist die wirtschaftliche Union, die politische Union, die Währungsunion.

Das, was mir noch etwas abgeht, ist eine gewisse europäische Identität, ein euro­päisches Gesamtdenken, weniger: Was kann ich heimbringen, was kann ich mir in Brüssel „abschneiden“?, sondern mehr: Was können wir dazu beitragen?

Ich stehe auch zum Status Österreichs als Nettozahler, weil damit Ungerechtigkeiten auf diesem Kontinent abgebaut werden, soziale Missstände abgebaut werden können, auch infrastrukturelle Missstände, die ja immer Ursachen für neue Probleme sind, etwa der Migration. Ich rede da gar nicht vom Asylsachverhalt, sondern von der einfachen Migration. Dass die Menschen dort bleiben können, wo sie ihre Heimat haben, dazu müssen wir auch unsere Beiträge leisten.

Dazu braucht es auch etwas Geduld: Etwas, was sich in Jahrhunderten, in zweieinhalb Jahrtausenden an Vorurteilen, an Problemen aufgebaut hat, kann nicht von einem Tag auf den anderen abgebaut werden. Deshalb stört es mich überhaupt nicht, dass eine Regierungskonferenz einmal nicht zu einem Erfolg geführt hat. (Beifall bei der ÖVP.)

Wir müssen mit diesem Europa auch etwas Geduld haben. Dieser Erfolgszug lässt sich ohnehin nicht aufhalten. Ich bedanke mich auch bei allen, die dazu beigetragen haben, insbesondere bei Ihnen, Frau Bundesministerin, und zwar für Ihre konkreten Beiträge zur Weiterführung des europäischen Einigungsprozesses in den vergangenen Jahren.

Ich halte besonders dieses kulturelle Forum für die Erweiterung als eine Brücke zu die­sen Ländern, für neue Kontakte für wichtig. Kultur verbindet, Musik verbindet, Kunst verbindet. Da gilt es, diese Brücken weiterzubauen, weiterzuentwickeln.

 


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