Bundesrat Stenographisches Protokoll 704. Sitzung / Seite 41

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Was noch übrig bleibt, ist eben der Aufbau einer europäischen Identität, eines gemein­schaftlichen Denkens auf diesem Kontinent. Das wünsche ich mir aus ganzem Herzen. Wenn das gelingt, dann sind die Erfolgsstory und der Erfolgszug dieses Europas nicht aufzuhalten. Ich heiße alle Beitrittsstaaten herzlich willkommen! Mit Österreich wird das sicher ein guter Weg werden. (Beifall bei der ÖVP sowie der Bundesrätin Dr. Lichten­ecker.)

10.57

 


Präsident Hans Ager: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Winter.

Bevor ich ihm das Wort erteile, gestatten Sie mir, in aller Kürze zu sagen, dass ich heute in der Früh die ehrenvolle Aufgabe als Präsident dieses Hauses hatte, Kollegem Winter das vom Bundespräsidenten verliehene Große Silberne Ehrenzeichen der Re­publik Österreich überreichen zu dürfen. Ich gratuliere hier vor versammelter Mann­schaft noch einmal recht herzlich dazu. (Allgemeiner Beifall.) – Bitte, Herr Bundesrat.

 


10.57

Bundesrat Ernst Winter (SPÖ, Niederösterreich): Danke, Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Der Bundesrat ist heute in einer äußerst interessanten Situation, die in Zweikammer­systemen selten eintritt. Heute hat der Bundesrat eine vom Nationalrat abweichende Debatte zu führen. Dies deswegen, da zwischen der Ratifizierung der so genannten EU-Osterweiterung – wenn dieser Begriff auch geographisch unscharf ist – im Na­tional­rat und der nunmehrigen Ratifizierung im Bundesrat diese durch das Scheitern des EU-Verfassungsgipfels am letzten Wochenende völlig neu zu bewerten ist.

War in den Reden im Nationalrat noch vom größten Friedensprojekt Europas, von einem historischen Beschluss die Rede, so ist nunmehr die Zukunft der EU vielleicht doch etwas gefährdet. Auch ich persönlich habe in meinem Wahlkreis und im ge­samten Bundesland Niederösterreich für die EU-Erweiterung geworben. Es ist dabei aber auffällig, dass der großen Zustimmung zur EU-Erweiterung im Parlament der Republik Österreich eine deutlich geringere Zustimmung der österreichischen Bevöl­kerung gegenübersteht.

In vielen Gesprächen wurde mir bewusst, dass die Bevölkerung diesem Projekt skep­tisch, reserviert und zum Teil auch ängstlich gegenübersteht. Es waren dies, meine sehr geehrten Damen und Herren, Ängste um den Arbeitsplatz, Ängste vor mehr Verkehr, vor mehr Umweltbelastung und natürlich vor dem Verlust der Lebensqualität der Betroffenen und ihrer Familien. All das sind Ängste, die von der Regierung vielleicht auch nicht in ausreichendem Maße ausgeräumt werden konnten.

Ich habe auch eine Reihe von Betrieben in meinem Wahlkreis besucht und dort fest­gestellt, dass sich einige Betriebe in Eigeninitiative äußerst gut auf die EU-Erweiterung vorbereitet haben und schon jetzt eine intensive Zusammenarbeit, beispielsweise mit Betrieben in Tschechien, pflegen, und zwar eine Zusammenarbeit, die für beide Seiten von Vorteil ist. Daneben gibt es aber auch eine Reihe von Betrieben, bei welchen dies leider noch nicht festzustellen ist.

Die Diskrepanz zwischen der hohen Zustimmung in den Parlamenten und der eher reservierten Zustimmung in der Bevölkerung ergibt sich, wie ich schon ausgeführt habe, aus dem Unterschied im Zugang. So wählten die Politiker – und an dieser Stelle möchte ich nochmals auf die Reden im Nationalrat verweisen – eher einen theore­tischen Zugang zur Beurteilung der EU-Erweiterung. Im Gegensatz dazu ist es für die Bevölkerung vielleicht viel wichtiger, welche praktischen Auswirkungen ein solcher Schritt auf sie und natürlich auch auf ihre Familien hat.

 


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite