Bundesrat Stenographisches Protokoll 704. Sitzung / Seite 42

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Ich möchte mich daher dafür aussprechen, dass wir Politiker in allen Zukunftsfragen nie die praktischen Auswirkungen auf die Bevölkerung vernachlässigen dürfen, son­dern diese in den Mittelpunkt unserer politischen Beurteilung stellen müssen!

Ich bin überzeugt davon, dass durch eine wirksame und intensive und rechtzeitig begonnene Vorbereitung auf die EU-Erweiterung die Zustimmung in der Bevölkerung vielleicht doch um einiges höher wäre.

Der Bundesrat hat heute, wie schon in meiner Einleitung erwähnt, die Aufgabe, die EU-Erweiterung auch unter der Berücksichtigung des Scheiterns des Verfassungsgipfels zu beurteilen. Ich möchte den von mir im Hinblick auf seine praktische Arbeit sehr geschätzten österreichischen EU-Kommissar Franz Fischler hier zitieren, welcher Folgendes ausführte:

„Es gibt die Gefahr, dass diese Niederlage der Anfang vom Ende Europas sein könnte. Wenn tatsächlich einige Staaten enger kooperieren werden, dann wird es zwei Europa geben, denn sie werden nicht bereit sein, auf die anderen zu warten. Die Idee des geeinten Europa könnte auf dem Altar nationaler Interessen geopfert werden.“

Das sind sehr pessimistische Worte, die Franz Fischler am Wochenende zum Schei­tern des EU-Gipfels fand. Ich finde diesen Pessimismus auch angebracht, denn aus dem Friedensprojekt Europa wurde ein Ringen um nationalen Einfluss, ein Ringen um Stimmgewichtungen und ein Ringen darum, wer mehr Einfluss auf die Verteilung der Geldmittel in Zukunft haben wird.

Es ist den Österreicherinnen und Österreichern noch in einem relativ großen Ausmaß klar, wie in Österreich auf nationaler Ebene Gesetze entstehen und wie man an der politischen Willensbildung teilnehmen kann. Hingegen ist dies bezüglich der EU nur einigen Expertinnen klar, den breiten Schichten der Bevölkerung jedoch nicht. Doch gerade eine neue Verfassung hätte dazu beitragen können, mehr Verständnis für das politische System der Europäischen Union und damit auch für die Europäische Union selbst zu finden.

Dass dieses wichtige Projekt für die Bevölkerung nunmehr an nationalen Egoismen gescheitert ist, ist beinahe unverzeihlich. Ich glaube daher, dass die Zukunft Europas, wie wir alle sie uns wünschen, nur durch ein geeintes Europa, durch ein Europa mit identischen Normen und identischen Zielen gesichert werden kann. Es bleibt daher nur mehr eines zu tun: an die Vernunft aller Beteiligten zu appellieren, damit dieses Projekt Europa nicht zerschlagen wird! Wir als sozialdemokratische Fraktion sind jedenfalls gerne bereit, alle geeigneten Bemühungen in diese Richtung zu unterstützen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Zu meinem Stimmverhalten muss ich allerdings festhalten, dass ich natürlich für die EU-Erweiterung stimmen werde, nicht aber mit jener Freude, mit welcher ich es noch vor einigen Tagen getan hätte. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ und bei Bundesräten der Freiheitlichen.)

11.06

 


Präsident Hans Ager: Als Nächste zu Wort gemeldet ist Frau Bundesrätin Dr. Ka­novsky-Wintermann. – Bitte.

 


11.06

Bundesrätin Dr. Renate Kanovsky-Wintermann (Freiheitliche, Kärnten): Sehr geehr­te Frau Minister! Sehr geehrter Herr Präsident! Herr Staatsekretär! Meine sehr geehr­ten Damen und Herren! Es sind heute in den Reden schon mehrfach zwei Dinge angeklungen: Zum einen ist davon die Rede gewesen, dass heute ein historischer Tag sei, zum anderen wurde aber auch mit einer gerechtfertigten Kritik die Realpolitik der derzeitigen Europäische Union und die der Beitrittsländer unter die Lupe genommen. Ich meine, dass beides seine Berechtigung hat.

 


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