Bundesrat Stenographisches Protokoll 704. Sitzung / Seite 46

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Was ist da passiert? Weshalb war da eine Grenze? – und zwar eine Grenze, die mir logisch nicht nachvollziehbar war.

Meine Mutter hat mir das zu erklären versucht. Es war eine komplizierte Materie. Ganz habe ich es damals, glaube ich, noch nicht verstanden. Dieser erste Kontakt mit der Politik, der für mich als ein Kontakt mit willkürlichen Grenzen stattgefunden hat, war für eine Weile auch der erste Kontakt mit Europapolitik. Erst viele Jahre später habe ich mich mit diesem Thema wieder befasst, und zwar besonders intensiv anlässlich des Jugend-Konvents vor etwa eineinhalb Jahren, an dem ich teilnehmen konnte. Das war eine Veranstaltung, die in Brüssel nach dem Modell des Konvents stattgefunden hat, wo sich über 300 Jugendliche getroffen haben und eigentlich alle Themen, die auch im Konvent besprochen worden sind, diskutiert haben. Diese Veranstaltung hat in etwa vier Tage gedauert. Es war also nicht eine so ausführliche Diskussion, wie sie im Konvent selbst stattgefunden hat.

Diskutiert wurde fast alles: ob Wirtschafts-, Verteidigungs- und Sicherheitspolitik, ob Themen wie Bildung, Kultur oder ob nur das jeweilige Fernsehprogramm der Her­kunfts­länder der Teilnehmer dieser Konferenz. Es war eine sehr interessante Veran­staltung – jedoch nicht allein wegen der inhaltlichen Diskussionen, sondern vor allem wegen der Begegnung mit Menschen aus allen Ländern Europas, auch wegen der Begegnung mit Menschen aus den neuen EU-Beitrittsländern.

Mir ist in diesen drei Tagen klar geworden, wie vielfältig, interessant und bunt Europa eigentlich ist und dass nicht, wie heute schon erwähnt wurde, Paris näher ist als zum Beispiel Bratislava, sondern dass wir im Zentrum eines Europa sind, das nach allen Seiten hin bereichernd und für uns sehr interessant sein kann.

Ich glaube, dass viel der Angst, die auch Menschen in Österreich vor der EU-Erwei­terung haben – oder vor der EU generell –, einfach daher kommt, dass viel zu wenig Möglichkeit zur Begegnung mit diesen anderen Menschen da ist. Ich glaube, dass das einer der wichtigsten Punkte ist, wo wir ansetzen müssen. Es muss für die Menschen in Europa solche Möglichkeiten geben, sich zu treffen, denn nur so wird auch die Kern­idee eines vereinten Europa, nämlich ein „Europa für die Menschen“ zu sein, mit Sinn erfüllt.

Dabei geht es nicht in erster Linie um die wirtschaftliche Union, auch nicht um Fragen des freien Binnenmarktes, sondern dabei geht es um gleiche Rechte für alle Men­schen, die in Europa leben. Aber dabei geht es auch um ein Gegenmodell zu anderen herrschenden Modellen, wie zum Beispiel dem der USA. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

Es geht um eine eigene europäische Identität, die nicht nach Nationen ausgerichtet ist, sondern darüber hinausgeht. Wir müssen es den Menschen ermöglichen, Europa zu erleben. Für mich und für über 300 andere Jugendliche war das möglich; es war eine große Bereicherung, und ich glaube, ich werde mein Leben lang von diesem Erlebnis profitieren. Allerdings müssen wir das auch vielen anderen Menschen ermöglichen. Europa muss für die Bevölkerung spürbar werden! Das war auch eine der Aufgaben, die der Konvent hatte, und das wäre auch einer der wichtigsten Punkte, die eine Ver­fas­sung erfüllen könnte: ein gemeinsames Gefühl, eine Grundlage für Europa dar­zustellen.

Dass dieser Prozess jetzt vorerst gescheitert ist, ist zwar ein Rückschlag, aber, wie ich meine, ein Rückschlag, der vielleicht dazu führt, dass wieder mehr Energien in diesen Prozess investiert werden, dass es neue Anregungen gibt und dass einfach mehr Leute daran mitarbeiten werden.

 


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