Bundesrat Stenographisches Protokoll 704. Sitzung / Seite 123

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zimmer gesteckt zu werden. Sie brauchen eine andere Behandlung, als dass man die Freizeiträume des Gefängnisses mit Stockbetten vollrammelt und diese Leute noch mehr in eine kriminelle Laufbahn hineindrückt. Diesbezüglich gibt es bereits einige Vor­stellungen, auch der EU. Österreich unterstützt diese. Die entsprechende Umsetzung dauert aber viel zu lange. Diesbezüglich brauchen wir auch eine Aufklärung im Bereich der Gerichte.

Der Zuwachs der Kriminalitätsrate um 24,5 Prozent beziehungsweise der Zuwachs in Wien ist klarerweise alarmierend. Lieber Ernst Strasser! Einem Bereich gilt allerdings die Schwerpunktsetzung dieser Regierung. Es ist dies ein politischer Ansatz, wenn man sich, weil dem die politische Leidenschaft gilt, geradezu im Übermaß auf den Suchtgiftbereich konzentriert und die Mittelzuwendung und die Zahl der Maßnahmen erhöht, die vielleicht in diesem Bereich gar nicht in der Form gebraucht werden. Wenn man sich auf diesen Bereich in dem Maß konzentriert, dann zieht man entsprechende Maßnahmen und Mittel natürlich von anderen Bereichen ab. Hiebei geht es um die Frage, wo man die Schwerpunkte setzt: Ist einem die Bekämpfung der Banden­kri­minalität wichtiger, oder jagt man lieber jedem Jugendlichen nach, den man nur ein bisschen in irgendeiner Rauschgiftszene vermutet. – Das ist eine politische Frage. (Bundesrat Dr. Kühnel: Sind in diesem Bereich keine Banden tätig?)

Natürlich! Ich rede jetzt aber von der Drogenbeschaffungskriminalität, und das ist kei­ne Bandenkriminalität! Beim Drogenhandel und -verkauf handelt es sich um Ban­denkriminalität, und diese muss man auch entsprechend bekämpfen. Ich spreche jetzt aber davon, dass wir diesen kleinen Suchtgiftkranken, die natürlich auch Delin­quenten sind, nachjagen.

Wenn ich dann in der Statistik sehe, dass wir bei den Delikten nach strafrechtlichen Nebengesetzen einen Hoppsala-Zuwachs haben, dann muss ich schon darauf auf­merksam machen: Herr Minister Strasser! Nicht Sie und diese Regierung, sondern eine andere Parlamentsmehrheit hat sich das selbst eingebrockt, nämlich dieses un­aus­gegorene Gesetz über Suchtgiftgenuss hinter dem Lenkrad, bei welchem man nicht einmal weiß, nach welchen Kriterien man das messen muss. Wenn irgendjemand irgend­wann einmal etwas geraucht hat, dann ist er nach drei, vier Tagen natürlich völlig in der Lage, ein Auto zu chauffieren. Kommt er aber in eine Kontrolle, dann hängt er. Und in diesem Bereich haben wir plötzlich den enormen Zuwachs, etwa in dem Bezirk, in dem der Herr Minister und ich wohnen, von, ich glaube, 263 Prozent! Ich meine, das ist ja absurd, dort wurde bisher Wein getrunken, und jetzt kommen wir auf einmal zu solchen Zahlen. Da fragt man sich: Leben Strasser und ich in einem Hascherbezirk? – Ich glaube nicht! Ich glaube, wir produzieren solche Fälle durch eine zum Teil unaus­gegorene Gesetzgebung selbst, und diese Zahlen drücken natürlich auf die Kriminal­statistik.

Der langen Rede kurzer Schluss: Herr Minister Strasser! Ohne eine wirklich eklatante Erhöhung des Personalstandes an Polizisten wird es nicht gehen. Aber wir brauchen nicht den Einheitstypen! Wir brauchen nicht für alle präventiven Maßnahmen den voll ausgestatteten Polizisten, der auf 100 Meter jeden ins Knie zu schießen versteht, sondern wir brauchen Spezialisten im Suchtgiftbereich, wir brauchen Spezialisten für die Straßenverkehrssicherheit, wir brauchen Spezialisten im Wirtschaftsbereich, wir brauchen Spezialisten für den Bereich Drogen-, Jugendkriminalität. Da gibt es jeweils ganz differenzierte Bilder.

Wir brauchen nicht den „Allgemeinpolizisten“, aber wir brauchen vor allem mehr Polizisten, um zu ermöglichen, dass das Wort „mein Haberer – der Kiberer“ wieder Realität wird. Das müssen Menschen wie du und ich zum Anfassen sein. In der kleinen Ortschaft, in der ich aufgewachsen bin, gab es keinen Gendarmerieposten, in der Nach­barortschaft auch nicht, aber in der nächsten. Trotzdem haben wir die alle


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