Bundesrat Stenographisches Protokoll 704. Sitzung / Seite 179

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Ein weiteres Problem, das wir mit dieser Reform haben, ist, dass die neue Struktur, die Sie jetzt schaffen, mehr Bürokratie produziert. Einerseits sollen 12 000 Eisenbahner abgebaut werden, wie das so schön euphemistisch heißt. Das heißt, ein Teil soll in Pension gehen, ein Teil soll verleast werden. Ich weiß nicht, was Sie sich vorstellen, was das für die Menschen bedeutet, wenn sie dann an irgendwelche anderen Firmen verliehen werden. Da sie ja nur eine bestimmte Qualifikation für einen bestimmten Bereich haben, stellt sich die Frage, für welche Jobs Sie die Menschen dann einsetzen wollen. Andererseits wird durch diese Unterteilung in Tochtergesellschaften mit einer Holdingstruktur die Bürokratie aufgebläht. Das bedeutet Aufsichtsratsposten, das be­deutet Managementposten, das bedeutet den Abbau der Synergieeffekte, das bedeutet eine ganze Reihe von Problemen. (Bundesrat Schennach: Wer wird die Posten wohl bekommen?)

Und das behaupten nicht nur wir, das behauptet auch die Wirtschaftskammer, Fach­verband der Schienenbahnen, denn diese warnen vor Reibungsverlusten zwischen den neuen Gesellschaften. Sie warnen vor einer zu kräftigen Erhöhung der Schienen­maut, sie befürchten, dass sich die Erhaltung von Infrastruktur überhaupt aufhört, und sie verlangen, dass die ÖBB vollständig entschuldet werden sollen und der Infra­struk­turausbau gesichert bleiben muss.

Diese Frage der Schuldenregelung ist auch einer der Punkte, die wir sehr kritisieren. Hiezu hat der Generaldirektor der Schweizerischen Bahnen gesagt, dass es eine Selbst­verständlichkeit sein muss, dass zur Gänze entschuldet wird – bei den SBB war das auch der Fall – und dass der Staat Investitionen übernehmen muss. Die Schwei­zerische Bahn wird immer wieder als Vorbild herangezogen, es wird immer wieder gesagt, sie seien so gut. Und das ist keine Frage, denn die sind wirklich sehr gut, aber ich verstehe nicht, warum dann eigentlich in keiner Weise das berücksichtigt wird, was ein wirklicher Experte von dort zu dieser anstehenden Frage sagt.

Und auch sonst sind die Meinungen sehr negativ. So sagt auch der Generaldirektor der Investkredit, Stadler, die Aufsplitterung der Bahn in Aktiengesellschaften unter einer Holding sei ein struktureller Fehler und berge eine Zerschlagungsgefahr in sich. Die Teilung der Infrastruktur bezeichnet er als problematisch, deren Sinnhaftigkeit könne er nicht erkennen. Ewald Nowotny sagt, die Reformpläne basierten auf dem Stand euro­päischer Erfahrung von vor sechs Jahren. Alles was die anderen Staaten durch­gemacht hätten, müsse Österreich offenbar leidvoll wieder erleben. Er warnt vor der Zerstörung des integrierten Systems Bahn. Auch Ewald Wallnöfer sagt, die Regierung müsse darauf achten, dass die Reform nicht in einer Strukturzerstörung ende und dass durch übertriebenen nationalen Eifer nicht Schaden erzeugt werde. Die Spaltung der Infrastruktur sei höchst unvernünftig und lege Privatisierungsabsichten nahe.

Auch Dr. Gerhard Fuhrmann, Geschäftsführer der Schienen-Control GmbH verlangt eine ÖBB-Entschuldung. Er stellt auch etwas in den Raum, das, wenn es wahr ist, ungeheuerlich wäre. Die ÖBB-Reform sieht er als Vorarbeit für den Verkauf des Güterverkehrs an die Deutsche Bahn, wörtlich: „Da läuft sicher etwas“. Ich würde das für eine sehr schlimme Entwicklung halten.

Da wir im Bundesrat sind, möchte ich doch auch besonders darauf hinweisen, dass auch die Länder größte Bedenken haben, dass die Bundesländer praktisch lauter ne­gative Stellungnahmen abgegeben haben. So sagt etwa die Vorarlberger Landes­regie­rung – ich zitiere –: „Es ist in keiner Weise nachvollziehbar, dass die Schiene durch die Aufteilung der ÖBB ... effizienter und gegenüber der Straße wettbewerbsfähiger wird. Es deutet im Gegenteil vieles darauf hin, dass durch die Desintegration wichtige Syner­gieeffekte verloren gehen, ...“ (Bundesrat Schennach: Gibt es jetzt drei Vorarlberger Kontrastimmen?)

 


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