Bundesrat Stenographisches Protokoll 705. Sitzung / Seite 60

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11.42

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Volksanwältin! Sehr geehrte Herren Volksanwälte! Auch von meiner Seite kommt ein großes Kompliment für Ihre Tätigkeit, aber auch für die beiden heute in Beratung stehenden Berichte.

Noch einmal: Es tut mir Leid, dass wir im Ausschuss nach einer sehr interessanten Debatte auf Grund der Überschneidung von Ausschüssen einen Abbruch des Ge­spräches mit Ihnen hinzunehmen hatten – einen Abbruch nicht im Sinne von Abbruch, sondern die Beratungen mussten wegen zu wenig anwesender Bundesräte unterbro­chen werden, es musste auch ein anderer Ausschuss beschickt werden. Ich hoffe, dass das in Zukunft vermieden werden kann. Ich danke Ihnen ganz besonders, dass Sie selbst gekommen sind und dass daher die Erörterung und Befassung der Berichte in einer ganz anderen Weise und Qualität möglich war, als das bei so manchen Minis­terien der Fall ist.

Neben der finanziellen, rechtlichen und politischen Kontrolle im Staat hat sich die Volks­anwaltschaft seit ihrem Bestehen als wahrscheinlich die bürger- und bürge­rinnennäheste Kontrollmöglichkeit und auch Erstanlaufstelle etabliert, und die Zahlen der Anbringungen sind beeindruckend. Vom Jahre 2000 auf das Jahr 2002 gab es nahezu eine Verdoppelung von 8 000 auf über 14 000 Anbringungen. Das ist schon eine sehr beachtliche Entwicklung.

Nur: Die Volksanwaltschaft hat zu Recht festgehalten, dass dadurch ein erhöhter Res­sourcenbedarf gegeben ist. Es wurde zwar der sachliche Ressourcenbedarf abge­deckt, aber es gibt ja auch einen personellen. Wenn es doppelt so viele Fälle gibt wie vorher, dann wird das im personellen Bereich nicht mit demselben Personalstand zu bewältigen sein, auch wenn die Zahlen der Volksanwaltschaft zeigen, dass relativ rasch und auch sehr unbürokratisch reagiert wird. Ich hoffe also, dass es zu einer besseren Ausstattung der Volksanwaltschaft auch in personeller Hinsicht kommt, damit man dieser wahren Flut von Anbringungen seitens der Bürgerinnen und Bürger Herr werden kann und den Anliegen der Bevölkerung Rechnung trägt, denn da ist das Geld für eine gute Sache ausgegeben.

Lassen Sie mich noch auf zwei, drei Punkte eingehen. Herr Kollege Saller hat gemeint, es sei wichtig, dass auch ein Grundrechtsteil im Bericht der Volksanwaltschaft ent­halten ist. Ich sage: Das ist sogar ein Quantensprung! Das war mehr als nur wichtig! Erstmals gibt es ein eigenes Kapitel zu Grundrechtsfragen.

In der politischen Praxis unseres Landes ist es nämlich so, dass es schon jahr­zehntelang eine ganz verkorkste Grundrechtsdebatte gibt. Man weiß gar nicht mehr, wer aller eine Grundrechts-Enquetekommission eingerichtet hat. Jetzt widmet die Volks­anwaltschaft in ihrem Bericht 2001 erstmals Grundrechtsfragen ein eigenes Kapitel. Dafür gebührt der Volksanwaltschaft wirklich ein großes Kompliment. Damit hat sie unserer Republik einen großen Dienst erwiesen.

Das ist auch insofern sehr positiv, als es nun einen Überblick über die grundrechtlich problematischen Gesetze und Vollzugsakte in Österreich gibt. Ich habe schon im Ausschuss gesagt, was für mich dabei besonders interessant war, nämlich dass immer wieder das Grundprinzip der Rechtsstaatlichkeit bei den Dauerbrennern der sozialen Debatte angesprochen wird, etwa bei der vorläufigen Einstellung der Notstandshilfe, bei der Einstellung der Familienbeihilfe, bei den Ambulanzgebühren, wo es eine unklare Rechtslage gab – das kennen wir zwar schon, das haben wir sehr lange diskutiert, aber das war für den Bericht 2001 noch von Wichtigkeit –, bei der Invaliditätspension oder bei der Ermittlung des Arbeitslosengeldanspruches. Dort, wo in diesem Land vielfach eine falsche Schmarotzer-Debatte geführt wird, wird in


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