Bundesrat Stenographisches Protokoll 706. Sitzung / Seite 154

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fonüberwachung, Hausdurchsuchungen und Beschwerden. Das Gericht kann Ermitt­lungen durch die Kriminalpolizei anordnen, aber auch vom Staatsanwalt und von der Kriminalpolizei die tatsächliche Aufklärung verlangen. Das Gericht kann auch die Beweise aufnehmen, wenn diese in der Hauptverhandlung nicht zur Verfügung stehen.

Die Zahl der strafbaren Handlungen ist, wie wir in den Nachrichten gehört haben, vor allem in Niederösterreich, im vergangenen Jahr um 20 Prozent gestiegen, und da ist es sehr wichtig, etwas in diese Richtung zu tun. Strafbare Handlungen sind am besten zu vermeiden, doch sie passieren, und deswegen müssen wir versuchen, unsere Staats­bürger davor zu schützen und die Schuldigen zu verfolgen und auch Sanktionen zu verhängen.

Es ist aber auch eine besondere Verpflichtung, die Grundrechte der Beschuldigten zu wahren, und dies passiert jetzt in diesem neuen Gesetz. Bisher hat weder der Beschul­digte noch sein Verteidiger festgeschriebene Rechte oder Möglichkeiten gehabt. Dies hat auch zu einer Verurteilung Österreichs durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte geführt. Daher ist diese Verbesserung höchst notwendig und schon längst fällig.

Neu ist auch die Rechtsbelehrung des Beschuldigten, wie wir sie aus Film und Fernse­hen kennen, denn in den amerikanischen Filmen ist es immer so, dass bei jeder Fest­nahme der Beschuldigte über seine Rechte aufgeklärt wird. Dies wird nun ebenfalls Bestand unserer österreichischen Rechtsordnung.

Es gibt im strafrechtlichen Vorverfahren den Grundsatz des Fair Trial, der Unschulds­vermutung, denn wenn einer in der Grube sitzt, so heißt es nicht, dass er immer der Schuldige ist. Daher muss die Unschuldsvermutung gelten, und die Ermittlungen im Vorverfahren können dann die Grundlage für eine Anklage vor einem unabhängigen Gericht sein, das dann beurteilt, ob die Anklagepunkte wirklich ausreichend sind.

Es gibt nun das Verbot wiederholter Strafverfolgung und das Recht, gehört zu werden, aber auch das Recht, einen sachkundigen Verteidiger beizuziehen, und zwar von der ersten Minute an. Folgende Rechte hat der Beschuldigte noch: Information über einen Verdacht und seine Rechte, denn nur der, der seine Rechte kennt, kann sie auch ausüben; Akteneinsicht schon bei den Ermittlungen der Exekutive, was bis jetzt nicht möglich war, sondern erst im Gerichtsverfahren; seinen Verteidiger frei zu wählen oder einen Verfahrensverteidiger zu erhalten. Die Aufnahme von Beweisen ist auch eine Neuerung, die zu Ausgewogenheit zwischen der Anklagebehörde und den Betroffenen führen soll.

Dies sind nur einige Punkte, die sich verbessert haben. Ich persönlich glaube, es ist ein guter Kompromiss gefunden worden zwischen den Rechten des Beschuldigten und den Interessen des Staates zum Schutz seiner Bürger vor Kriminalität.

Ganz neu in der Strafprozessordnung sind auch die Opferrechte. Ich glaube, es ist eine gute Sache, dass endlich den Opfern auch eine angemessene Aufmerksamkeit vom Gesetzgeber eingeräumt wird. Opfer haben nun das Recht, sich am Verfahren zu beteiligen und über die Rechte belehrt zu werden. Sie haben die Möglichkeit, in der Hauptverhandlung Angeklagte, Zeugen und Sachverständige zu befragen und ihre Sicht darzulegen.

Neu ist auch, dass besonders belasteten Opfern eine juristische oder psychosoziale Prozessbegleitung zusteht. Unter besonders belasteten Opfern verstehen wir vor allem jene, die Sexual- oder Gewaltdelikten zum Opfer gefallen sind. Solche Straftaten können wir natürlich nicht ungeschehen machen, aber durch professionelle Betreuung können wir dafür sorgen, dass sie bestmöglich verarbeitet werden.

 


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