Bundesrat Stenographisches Protokoll 706. Sitzung / Seite 155

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Ein Recht ist es auch, dass Opfer über die Entlassung der Beschuldigten informiert werden und dann einen Antrag auf Fortführung des Verfahrens stellen können. Opfer, die Schadenersatz- oder Entschädigungsansprüche geltend machen, können im sel­ben Umfang wie in der Zivilprozessordnung Anspruch auf eine unentgeltliche Beige­bung eines Verteidigers haben.

Meine Damen und Herren! Neu ist auch die Verankerung von modernen Ermittlungs­methoden wie Observation, verdeckte Ermittlung oder Scheingeschäfte. Die Kontrolle darüber obliegt dem Rechtsschutzbeauftragten. Der Rechtsschutzbeauftragte wurde auf Wunsch der SPÖ in der Zeit der großen Koalition weisungsfrei und unabhängig geschaffen. Vor gar nicht allzu langer Zeit hat der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis zum Militärbefugnisgesetz ausgeführt, dass die Weisungsunabhängigkeit des Rechtsschutzbeauftragten einer Verfassungsbestimmung bedarf. Daher wäre unsere Fraktion dafür, ein Verfassungsgesetz zur Absicherung der Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten zu machen. Aber leider gibt es keine Zustimmung durch die Opposition.

Diese Reform der Strafprozessordnung soll mit 1. Jänner 2008 in Kraft treten. Es wäre wirklich wünschenswert, dass bis dorthin noch eine Einigung über die Absicherung der Weisungsfreiheit des Rechtsschutzbeauftragten durch ein Verfassungsgesetz möglich wird. Weiters wäre es auch sehr wünschenswert, wenn die Opferrechte bereits in die bestehende Strafprozessordnung eingearbeitet würden.

Zusammenfassend: Ich meine, diese neue Strafprozessordnung ist nicht nur verfas­sungskonform, sondern wird auch der Aufklärung von Straftaten, den Verteidigungs­rechten und Opferrechten gerecht. Daher wird meine Fraktion dem vorliegenden Ge­setz auch ihre Zustimmung geben. (Beifall bei der ÖVP.)

18.58

 


Präsident Jürgen Weiss: Als Nächstem erteile ich Herrn Bundesrat Schennach das Wort. – Bitte.

 


18.58

Bundesrat Stefan Schennach (Grüne, Wien): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Liebe Frau Kollegin, nachdem Sie hier quasi eine Absolution erteilt haben hinsichtlich der Verfassungskonformität dieses Gesetzes, möchte ich nicht Ihre Kenntnisse anzweifeln. Ich möchte auch nicht sagen, dass ich die entsprechenden Kenntnisse habe. Aber es gibt zwei namhafte Professoren, Professor Mayer und Pro­fessor Walter, ... (Bundesrätin Diesner-Wais: Aber viele andere auch!) – Im Gegen­satz zu anderen erwähne ich auch die anderen, Funk und Öhlinger sind anderer Mei­nung. Also steht es zwei zu zwei. Zwei unserer großen Verfassungsexperten sind also dieser Meinung und zwei anderer Meinung. Also so locker vom Hocker zu sagen, und deshalb hat dieses Gesetz die Verfassungskonformität, so einfach wird es nicht sein. Wir können auch mit Sicherheit davon ausgehen, dass der Verfassungsgerichtshof mit dem Gesetz, das wir heute hier beschließen, befasst werden wird müssen.

Wir reden über das strafprozessuale Vorverfahren. In der Tat, Sie haben es selber ge­sagt, wir reformieren nicht ein Gesetz des letzten Jahrhunderts, sondern des vorletzten Jahrhunderts, des 19. Jahrhunderts. Das muss man sich einmal vorstellen! Dass die­ses Gesetz dringend einer Reform bedarf, da sind sich, wie ich meine, alle Fraktionen einig. (Zwischenruf des Bundesrates Dr. Böhm.) Stimmt, Herr Kollege Böhm! Sie sind ja Verfassungsrechtler – nein, sind Sie nicht, aber verfassungsrechtlich sehr versiert.

Drei Jahrzehnte dauerte die Diskussion. Und, Herr Minister Böhmdorfer, wie schon bei einer Diskussion im Dezember frage ich mich: Warum haben wir die letzte Kurve nicht gemeinsam geschafft? Drei Jahrzehnte Diskussion, weitgehender Parallelslalom aller


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