Bundesrat Stenographisches Protokoll 706. Sitzung / Seite 171

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Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Als Nächster zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Schimböck. – Bitte.

 


20.04

Bundesrat Wolfgang Schimböck (SPÖ, Oberösterreich): Sehr geehrte Frau Präsi­dentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrte Bundesrätinnen und Bundes­räte! Ich glaube, dass dieser Punkt hier so ausführlich diskutiert wird, hat einen ganz einfachen Grund: weil es wirklich um eine sehr brisante Phase des strafrechtlichen Verfahrens geht, nämlich vom Verdacht, von der Anklageerhebung bis hin zur Einstel­lung. Und das soll jetzt quasi in eine völlig neue Struktur gekleidet werden.

Ich muss der Fairness halber vorweg sagen, dass eine Reihe von Punkten bereits außer Streit gestellt wurde. Ich denke dabei an die drei wesentlichen Konsenspunkte, wie dass jetzt ein klarer Rechtsrahmen, was das polizeiliche Handeln im Vorfeld dieses Strafverfahrens betrifft, geschaffen werden soll. Bisher herrschte da ein sehr uner­quicklicher Zustand. Man weiß ja, dass eigentlich die polizeilichen Erhebungen quasi meist den Staatsanwalt, auch den Untersuchungsrichter, in seinem Handeln überholt haben. Das hat eine gewisse Eigendynamik bekommen, was aber sicher seine histo­rische Ursache hat, wenn man bedenkt, dass dieses Gesetz auf das Jahr 1873 zurück­geht und dass man mit dem materiellen Gesetz, dem Strafgesetzbuch, ein relativ modernes Werk aus den siebziger Jahren vor sich hat.

Es wird hier also ein neuer Rahmen geschaffen, der offensichtlich nicht so ganz die allgemeine Zustimmung findet. In diesem Zusammenhang ist vielleicht auch noch ein Stichwort zu nennen – ein Bereich, der einerseits natürlich auch positiv zu beurteilen ist –, nämlich die Beschuldigtenrechte. Im Bereich der Verteidigung hat es einen Schritt nach vorne gegeben – aber eben auf Intervention der Justizsprecherin der FPÖ, Frau Dr. Partik-Pablé, auch gleich wieder einen Halbschritt zurück.

Diesbezüglich sind zwei Dinge zu erwähnen: erstens die Beiziehung des Anwalts, die einerseits jetzt bereits in der Vorstufe dieses Verfahrens gegeben ist – und anderer­seits dann eben doch wieder auch eingeschränkt werden kann –, und zum Zweiten die Akteneinsicht.

Und ein dritter Punkt – der natürlich sehr zu begrüßen ist – betrifft den Ausbau der Opferrechte. Wir wissen, dass man früher mit Opferrechten eigentlich gar nicht recht umzugehen wusste. Hier wird irgendwie ein wenig Neuland betreten. Es geht darum, eine neue Rechtsposition für das Opfer einer Straftat zu schaffen, ihm umgekehrt aber auch entsprechend Hilfe und Beistand zu leisten.

Der wahre Kritikpunkt – und darauf spitzt sich das von den vielen Vorrednern Gesagte zu – ist ganz einfach jener, dass man jetzt zum Herrn des Handelns – oder auch zur Frau des Handelns; es gibt ja erfreulicherweise auch immer mehr Richterinnen und Staatsanwältinnen; Herr Bundesminister, das ist, glaube ich, eine sehr gute Entwick­lung –, also zum Herrn oder zur Frau dieses Verfahrens die staatsanwaltschaftliche Behörde macht. Da kommt irgendwie das Problem zum Tragen, dass unsere Bundes­verfassung ja eine sehr strikte Trennung in die Staatsverwaltung, in die Rechtspre­chung und in die Gesetzgebung kennt und dass das hier doch etwas vermischt zu wer­den scheint. Ich weiß, wir neigen alle das Haupt vor den beiden großartigen Verfas­sungsrechtlern Funk und Öhlinger, und von diesen wurde das auch entsprechend begründet.

Ich möchte jetzt aber in eine andere Gesetzesmaterie eingehen. In der Europäischen Menschenrechtskonvention findet sich im Artikel 6 ein klarer Übertitel, nämlich „Recht auf ein faires Verfahren“. Und diesem fairen Verfahren, Herr Bundesminister, tut es na­türlich schon sehr gut, wenn Frau oder Herr dieses Verfahrens, der Verfahrensführung


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