Bundesrat Stenographisches Protokoll 707. Sitzung / Seite 198

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Per­sonalitätsprinzips nicht einmal im Hinblick auf im betreffenden Auslandsstaat begangene Straftaten; zum anderen aber auch aus einer rechtspolitischen Grund­annahme, die freilich, ich bin mir dessen bewusst, aus gemeinschaftsrechtlicher Per­spektive prekär erscheinen mag: Wir sind nicht voll davon überzeugt, dass alle Justizsysteme der Europäischen Union – und das gilt umso mehr in Bezug auf die neuen Mitgliedstaaten, auf Grund der so genannten Osterweiterung – völlig gleich­wertig sind.

Wenn wir Freiheitlichen diesem Bundesgesetz dennoch – das heißt ungeachtet unse­rer sachlich fundierten, ernsthaften Bedenken – zustimmen werden, so bedarf das näherer Begründung. Die formale Rechtfertigung dafür liegt zweifellos allein schon in den verbindlichen Vorgaben der Europäischen Union und dem bereits erwähnten Rah­menbeschluss. Mehr als erfolgreichen Widerstand gegen eine Europäische Staatsan­waltschaft konnte Österreich nicht leisten. Der so genannte Europäische Haftbefehl war vor allem im Hinblick auf die internationale Sicherheitslage nicht zu verhindern. Im­merhin ist dabei aber unserem Justizminister die Wahrung ganz entscheidender rechtsstaatlicher Garantien gelungen. Das gilt vorrangig für die materielle, also die inhaltliche Seite der justiziellen Zusammenarbeit, die ja im Grenzfall auf die Auslie­ferung auch eines österreichischen Staatsbürgers als mutmaßlicher Straftäter hinaus­laufen kann, wenn auch – das wurde schon angesprochen – erst ab 1. Jänner 2009 und nur wegen Taten, die nach dem 7. August 2002 außerhalb unseres Bundes­gebietes begangen wurden.

Ein Katalog von europaweit verankerten Straftatbeständen ist erstellt worden, der auch uns verpflichtet. Seine inhaltliche Ausgestaltung erlaubt aber das rechtspolitische Wert­urteil, dass wir im Ergebnis an dem unsere bisher abgeschlossenen Auslieferungs­verträge prägenden Grundsatz festhalten können, dass eine die Auslieferung rechtfer­tigende Tathandlung nicht nur im ersuchenden, also ausstellenden Staat, sondern auch in Österreich strafbar sein muss. – Insofern ist die Besorgnis von Kollegen Schennach nicht begründet. – Diesen inhaltlichen Grundwertungen darüber, was aus unserer Sicht strafbar ist, wurde im europäischen Katalog weitestgehend entsprochen.

Darüber hinaus trägt das vorliegende Gesetz auch den unverzichtbaren Verfahrensga­rantien durchaus Rechnung. So ist gemäß § 19 Abs. 4 die Vollstreckung des Euro­päischen Haftbefehls dann abzulehnen, wenn die Übergabe der betroffenen Person die in Artikel 6 des Vertrags über die Europäische Union anerkannten Grundsätze ver­letzen würde – also insbesondere die Grundsätze der Europäischen Menschen­rechts­konvention – oder objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Haftbefehl zum Zweck der Verfolgung oder Bestrafung der betroffenen Person aus Gründen ihres Geschlechts, ihrer Rasse, Religion, ethnischen Herkunft, Staatsangehörigkeit, Sprache oder politischen Überzeugung oder auch sexuellen Ausrichtung erlassen worden ist oder die Stellung dieser Person aus einem dieser Gründe beeinträchtigt würde.

Gewiss werden einem von einem ausländischen Europäischen Haftbefehl betroffenen Inländer nicht die rechtsstaatlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe eines inländischen Strafverfahrens zuteil. Das ist aber deshalb akzeptabel, weil es in diesem Verfah­rensstadium lediglich um die Auslieferung, noch nicht aber um das Hauptverfahren, das eigentliche Strafverfahren geht. In diesem müssen dann alle Verfahrensgarantien des nationalen, aber auch des internationalen Rechts, also insbesondere der Euro­päischen Menschenrechtskonvention, sehr wohl Geltung haben.

Uneingeschränkt zu begrüßen ist die rechtliche Verankerung von EUROJUST und des Europäischen Justiziellen Netzes sowie die Möglichkeit der Bildung gemeinsamer Er­mittlungsgruppen.

 


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