Bundesrat Stenographisches Protokoll 707. Sitzung / Seite 199

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Aus dieser Interessensabwägung heraus können auch wir Freiheitlichen – trotz aller Bedenken – diesem Gesetz, das EU-Vorgaben rechtsstaatlich bestmöglich umsetzt, durchaus zustimmen. (Beifall bei den Freiheitlichen und der ÖVP.)

20.51

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesminis­ter Dr. Böhmdorfer. – Bitte.

 


20.52

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren des Bundesrates! Herr Bundesrat Schennach, ich danke für den Hinweis, dass Sie nach einem Gesetz suchen, das Sie begrüßen können. Ich nenne Ihnen eines: Die Strafprozessordnung hätten Sie begrüßen können; Sie waren dagegen. Aber unverständlich ist, zuerst dagegen zu stimmen – und dann zu verlangen, dass man dieses Gesetz vorzieht! Insofern haben Sie es jetzt immerhin nachträglich begrüßt, auch wenn Sie vorher durch Ihr Stimmverhalten die Tatsache, dass Sie dieses Gesetz wünschen, nicht unbedingt dokumentiert haben.

Heute haben Sie wieder etwas Ähnliches moniert: Sie vermissen Verfahrensgarantien, die Herr Professor Böhm hier gerade erwähnt hat. Diese Verfahrensgarantien, die Sie vermissen, sind, soweit sie noch nicht österreichischer Rechtsbestand sind, in eben dieser Strafprozessordnungs-Novelle enthalten, der Sie jedoch nicht zugestimmt haben. Daher besteht auch in diesem Zusammenhang ein Widerspruch in Ihrer Argu­mentation. – Das ist das eine.

Das andere ist: Wir alle, auch die Europäer, waren nach dem 11. September 2001 in einer äußerst schwierigen und betroffenen Situation. Es war so, dass schon wenige Tage nach den Terroranschlägen des 11. September die EU den Europäischen Haft­befehl von den Mitgliedstaaten verlangt hat. Alle Staaten hatten konkrete Sorgen und konkrete Bedenken, weil niemand – kein Staat, und Österreich schon gar nicht – leicht­fertig eigene Staatsbürger ausliefern kann. Deshalb haben wir dieses Gesetz beson­ders genau verhandelt, und nur deshalb hat Österreich einen besonderen Verhand­lungserfolg zu erzielen, nämlich den, dass wir gerade die Bestimmung über die Auslie­ferung von Inländern erst fünf Jahre später, im Vergleich zu den anderen Staaten, umsetzen müssen. Dies auch, um Erfahrungen sammeln zu können.

Wir haben darüber hinaus diesen Rahmenbeschluss so umgesetzt, dass wir kein ver­nünftiges Beispiel finden, demzufolge gegen unseren Willen ein Inländer ausgeliefert werden müsste. Ich sage bewusst „kein vernünftiges Beispiel“, denn der Schwan­ger­schaftsabbruch, von dem Sie sprechen, ist nicht auslieferungsbedroht, da von der Auslieferung nur Tötungsdelikte betroffen sind und der Schwangerschaftsabbruch kei­ne Tötung in eben diesem strafrechtlichen Sinne ist. Daher ist das Beispiel, das Sie hier gebracht haben, ebenso wie das andere Beispiel, nämlich das Sabotage-Beispiel aus Frankreich, nicht vernünftig konstruiert, und deshalb braucht niemand, auch keine irische Bürgerin, Sorge zu haben, dass sie von Österreich ausgeliefert werden könnte – ungeachtet aller anderen Problematiken, die sich aus dieser Diskussion ergeben könnten.

Worum geht es nämlich? – Es darf nur wegen solcher Delikte ausgeliefert werden, die in der so genannten Positiv-Liste enthalten sind und die – das wird ja übersehen – außerdem mit mehr als drei Jahren bedroht sind. – Das ist das eine.

Bedenken Sie auch die Form der Umsetzung, Herr Bundesrat Schennach! Wenn we­gen des auszuliefernden Deliktes in Österreich ein Strafverfahren eingeleitet und be­endet wurde – gleichgültig, wie es beendet wurde, nämlich auch durch bloße Ein-


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite