Bundesrat Stenographisches Protokoll 707. Sitzung / Seite 197

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

Sie sicher sein! (Bundesrat Dr. Böhm: Ist ja hier nicht strafbar!) Aber jede Frau, die einen Schwangerschaftsabbruch vornimmt – und das bei einer Gesetzesgrundlage, die sie gerne hätte –, heißt, die Frau zu kriminalisieren. (Bundesrat Dr. Böhm: Nein, in Österreich ist es straffrei!) Da sagen wir sicher: Nein, das wird niemals mehr in der Republik vorkommen, Herr Gudenus! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Bun­desrat Mag. Gudenus: Freiheit ist nicht durch den Tod zu erreichen!) – Aber diese irische Staatsbürgerin ist nun letztlich auch von der Auslieferung bedroht!

Oder nehmen wir einmal ein anderes Beispiel her. Ein österreichischer Unternehmer stellt seine Ersatzteillieferungen für ein maßgebliches französisches Unternehmen ein; das Unternehmen braucht aber diese Bestandteile. Das würde nach französischem Recht Sabotage sein, nach österreichischem Recht jedoch nicht. Wäre dann der Österreicher künftig nach Frankreich auszuliefern? – Sie sehen, dieses Zurück­wei­chen ... (Bundesrat Mag. Gudenus: Sie haben Unrecht!) Herr Gudenus, lassen Sie mich das jetzt sagen! – Das Zurückweichen des eigenen Strafverfolgungsmonopols und die Überprüfung dessen, was hier frei wird und was das bedeutet, ist nicht so einfach. Wir sagen, dass das zu kurz greift.

Worüber Professor Böhm und ich uns bereits im Ausschuss ein bisschen verständigt haben – mehr sage ich dazu jetzt nicht, weil ja Professor Böhm auch selbst sprechen wird –, kann man vielleicht so bezeichnen: Es ist unsere gemeinsame Sorge über die Rechte der Betroffenen.

Wenn es nun einen Europäischen Haftbefehl gibt, wie sieht das Recht und die Rechts­lage für den davon Betroffenen aus? – In der Strafprozessordnung sind die Verfahrens­rechte unter § 49 klar geregelt. Das ist bei diesem Gesetz, bei diesem Rahmenbe­schluss nicht der Fall, die Rechte, die Verfahrensrechte der Betroffenen/des Betroffe­nen sind nicht explizit geregelt.

Was hier für uns weiters von Bedeutung ist, ist zum Beispiel die Frage: Gibt es einen Dolmetscher? Gibt es die Zur-Verfügung-Stellung eines Dolmetschers? Ist das geklärt?

Oder: Es gibt in Österreich bestimmte Straftaten, bei denen das Prinzip der notwen­digen Verteidigung, die Pflichtverteidigung festgelegt ist. Wenn jetzt jemand von einem Europäischen Haftbefehl bedroht ist, sozusagen das Strafmonopol des eigenen Landes verlässt und ausgeliefert wird: Ist das denn nicht ein Fall für eine notwendige Verteidigung? Wäre da nicht vorzusehen, meine Damen und Herren, dass es so etwas wie eine Pflichtverteidigung im eigenen Land gibt, um a) sprachlich und b) auch mit den Gesetzesmaterien des um Auslieferung begehrenden Landes dem Betroffenen zu helfen? – Das ist jedoch nicht vorgesehen!

Das sind die Gründe – und vor allem sind es die letzteren Gründe: die mangelnde Rechtssicherheit für die Betroffenen –, die uns zur Ablehnung dieses Gesetzes veranlassen. (Beifall bei den Grünen und bei Bundesräten der SPÖ.)

20.46

 


Vizepräsidentin Anna Elisabeth Haselbach: Zu Wort gemeldet ist Herr Bundesrat Professor Dr. Böhm. – Bitte.

 


20.46

Bundesrat Dr. Peter Böhm (Freiheitliche, Wien): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Verehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Das heute zur Beschlussfassung vorliegende Bundesgesetz über die justizielle Zusam­menarbeit in Strafsachen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist aus Sicht freiheitlicher Rechtspolitik gewiss nicht ganz unproblematisch; das räume ich ein. Das einmal deshalb, weil es für uns an sich immer ein unverzichtbarer Rechtsgrundsatz war, dass Inländer nicht an das Ausland auszuliefern sind – und das auf Grund des


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite