Bundesrat Stenographisches Protokoll 710. Sitzung / Seite 74

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Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie das Problem mit der Erwachsenenadoption haben, okay, aber Kollegin Forstinger, die mit Ihnen in der Regierung saß, hat einen Wahlvater gehabt, Androsch hat einen Wahlonkel gehabt, also es kommt im Erwachsenenalter durchaus vor, dass man sich eine andere Form von Beziehungen unter Erwachsenen wünscht.

Jetzt werden Sie sagen, Herr Minister: Ja, aber das ist ein Missbrauch gewesen! Dazu muss ich Ihnen sagen: Das IPRG sieht eben nicht vor, dass man Erwachsenenadopti­onen auf das Herkunftsland abstellt. Es wird hier zwar gemacht, aber es wäre meiner Meinung nach nicht notwendig.

Wenn Sie aber jetzt hier sagen, dass es einen signifikanten Missbrauch gibt – ich betone das Wort „signifikant“! –, dann ist das etwas anderes. Im Ausschuss konnte die Signifikanz nicht herausgehört werden, dort war lediglich davon die Rede, dass es einen Missbrauch gibt. Die Signifikanz ist aber eine wesentliche Sache.

Kollege Bogensperger hat das so trocken formuliert mit den Worten: Damit wird die Reform des Jugendgerichtsbereiches fortgesetzt. – Sie wissen, Herr Bundesminister, dass ich da eine andere Position einnehme. Ich halte es für richtig, dass es fachkundig-sensible Jugendrichter gibt. Mir war das alte System lieber. Ich hoffe, dass es nicht so wie in Linz zu so genannten geteilten Richtern kommt, die halbtägig hier und halbtägig dort tätig sind. In diesem Fall wäre es sogar ein Drittel-Drittel-Drittel. Ich hoffe, dass es da zumindest zu einer Aufstockung kommt, denn eine Person sozusagen auf drei Ge­richte verteilt, das ist wahrscheinlich ein bisschen schwierig.

Jetzt komme ich zu einem ganz großen Punkt. – Zunächst möchte ich aber sagen, Herr Bundesminister: Ich bedanke mich für den sehr kundigen Beamten, den Sie in den Ausschuss geschickt haben. Ich meine das ernst. Das war eine sehr spannende Diskussion. Ich glaube, die Analyse von Ihnen und von mir ist die gleiche, wie wir es schon in gemeinsamen Gesprächen festgestellt haben.

Der Punkt ist der: Es ist in den Strafvollzugsanstalten tatsächlich eine Notsituation ein­getreten, und zwar mit einem enormen Überbelag. Ich weiß, dass das dem Bundesmi­nister Sorge macht. Es macht ihm zu Recht Sorge – bei über 130 Prozent Belag in Wien. Das ist für alle Beteiligten, und zwar sowohl für die Unterzubringenden als auch für die Betreuer, unerträglich.

Das, was Sie nun hier vorschlagen, ist eine Notaktion. Ich bin Ihrer Meinung, was die Not betrifft, aber nicht, was die Aktion anlangt. Wenn Sie sagen, das hätten wir aber schon einmal gemacht – das war 1992 und 1993; damals war die FPÖ nicht in der Re­gierung, es gab eine andere Regierungskonstellation –, dann muss ich sagen: Das ist tatsächlich richtig!

Aber wenn schon so eine Not da ist, dann könnte man doch ein paar prinzipielle Fra­gen damit verknüpfen, und zwar zum Beispiel: Gibt es nicht eine Möglichkeit, die be­dingten Entlassungen im Sinne einer großzügigeren Form zu überdenken? Ich weiß, dass in der Sache, die wir hier jetzt machen, beim Strafantritt schon eine Großzügigkeit eingeräumt wird. Ich kann Ihnen da nur sagen: Ich geben Ihnen Recht, für Jugendliche, die eine Haftstrafe antreten müssen, aber einen Lehrabschluss zu machen haben, ist es tatsächlich eine sehr sinnvolle Maßnahme, zuerst die Lehre fertig machen zu kön­nen und erst dann die Haftstrafe antreten zu müssen, damit man keine sozialen Drop-Outs hat. – Das ist, sage ich auch, völlig richtig!

Aber in einer prinzipiellen Frage, Herr Bundesminister, möchte ich Sie ersuchen, in einen wirklich breiten Dialog einzutreten – das können wir jetzt nicht klären, das weiß ich schon; im Ausschuss haben wir sehr intensiv darüber diskutiert –, und das ist die Frage einer Neubewertung der Deliktsqualifikation der Gewerbsmäßigkeit.

 


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